Perspektivwechsel #7: Olga Neuwirth und Thorleifur Örn Arnarsson
In dieser Ausgabe der Gesprächsreihe »Perspektivwechsel« unterhielten sich die Komponistin Olga Neuwirth und der Regisseur Thorleifur Örn Arnarsson. Beide verbindet die Beschäftigung mit historischem Material als Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung und Sichtbarmachung gesellschaftlicher Strukturen der Gegenwart.
Olga Neuwirth überschreitet u.a. mit dem Einsatz von Zitaten aus verschiedenen Perioden der Musikgeschichte, Film, Literatur und bildender Kunst die von der Moderne vorgegebenen Grenzen sowie die Einheit zwischen Diskontinuität und Kontinuität, und fordert durch diese »fluid modernity« das Publikum heraus, eigene Schlüsse für die Gegenwart zu ziehen. Beispielhaft hierfür gilt ihre Hommage an Klaus Nomi, ihr groß angelegtes Raum-Musikwerk »Encantadas« mit der eingefangen Akustik der venezianischen Kirche San Lorenzo als »akustische Denkmalpflege«, die plastische Collage aus musikalischen Erinnerungen in »Masaot/Clocks without Hands« (2013/15), die Musik zu »Die Stadt ohne Juden«, einem lang verschollener Stummfilm aus 1924 oder in ihrer Adaption von Virginia Woolfs »Orlando«, der Oper, die im Dezember 2019 ihre Premiere an der Wiener Staatsoper hat. Dieses Jahr gibt es beim Musikfest Berlin einen Fokus auf die Komponistin Olga Neuwirth: Am 4. September führt das Ensemble Modern »locus...doublure...solus« (2001) im Kontext von Werken der Komponisten Edgar Varèse und Louis Andriessen auf. Am 5. September spielt der Trompeter Håkan Hardenberger ihr Trompetenkonzert »... miramondo multiplo...« zusammen mit dem BBC Symphony Orchestra unter der Leitung von Sakari Oramo. Schließlich führt am 18. September das Ensemble der Karajan-Akademie unter der Leitung von Susanna Mälkki das außergewöhnlich besetzte Stück »Aello – ballet mécanomorphe« (2017) mit Emmanuel Pahud als Solisten auf.
Das Theater von Thorleifur Örn Arnarsson steht für neue Weltentwürfe in seiner Auseinandersetzung mit Klassikern der Dramenliteratur und Stoffen der mythischen Sagenwelten. Zu seinen Regiearbeiten gehören Stücke von Shakespeare und Ibsen wie »Hamlet«, »Macbeth«, »Die Wildente« und »Peer Gynt«, aber auch mythische Erzählungen – »Njála« oder »Edda«. Außerdem inszenierte er zahlreiche Opern. Als neuer Schauspieldirektor an der Volksbühne Berlin erzählte er mit »Eine Odyssee« nach Homers Epos mit Mikael Torfason neu und eröffnete mit dieser Inszenierung am 12. September 2019 die neue Spielzeit. In der gemeinsamen Arbeit mit dem Autor Mikael Torfason adaptierte Arnarsson die Konflikte und Abgründe ins Zentrum der Gegenwart und lud sie mit virulenten gesellschaftspolitischen Parallelen auf.
Moderation: Sascha Ehlert, Gründer und Herausgeber der Zeitschrift DAS WETTER
Präsentiert von field notes und dem Musikfest Berli.
4. September 2019, Roter Salon / Volksbühne Berlin