Trans-traditionelle Kollektivität
Encounter II im Rahmen des trans-traditionellen Musiklabors des Trickster Orchestra
Mi., 05.03.2025, 19:00 - 20:30 | Haus der Kulturen der Welt
Mi., 05.03.2025, 19:00 - 20:30 | Haus der Kulturen der Welt
Wir leben in einer heterogenen, diversen Gesellschaft, in der eine Vielzahl an unterschiedlichen Biographien und Perspektiven existieren und ständig miteinander in Dialog treten. Sie formen in einem unvorhersehbaren Prozess von Austausch, Verhandlung und Kompromiss eine Gesellschaft im Wandel, die durch die verschiedenen Einflüsse wächst, lernt und sich stetig verändert.
Was gesellschaftlich in vielen Bereich zum Alltag gehört, ist in der zeitgenössischen Musik immer noch eine Seltenheit: Standard auf den Spielplänen ist nach wie vor eine starke Kanonisierung vor allem in westlichen Traditionen geprägter Kunstmusik. Musik aus außereuropäischen Traditionen findet sich oft nur in Sonderprogrammen oder spezifisch darauf ausgelegten Slots und Festivals. Musik, die versucht, unterschiedliche musikalische Traditionen miteinander in Dialog treten zu lassen oder globale Instrumentierungen in zeitgenössischen Kontexten zu verwenden, ist noch seltener.
Das Berliner Trickster Orchestra ist angetreten, diesen Umstand langfristig zu ändern und entwirft gemeinschaftlich seit bereits elf Jahren eine Neue Musik, die über getrennte Genres und Kulturen hinausgeht. Traditionen und Fertigkeiten der einzelnen Musiker*innen werden zu Werkzeugen der nachahmenden kollektiven Improvisation, woraus musikalische Innovation entsteht. Durch die Wertschätzung der unterschiedlichen Hintergründe seiner Musiker*innen und die feste Eingliederung des trans-traditionellen Austauschs in den musikalischen Prozess eröffnet das Orchester völlig neue Klangerfahrungen.
Mit seinem »Trans-traditionellen Musiklabor« macht das Trickster Orchestra seinen Arbeitsprozess über die Dauer von zwei Jahren zum ersten Mal öffentlich und führt erstmals verschiedene Akteur*innen der in Deutschland in den letzten zehn Jahren entstandenen trans-traditionellen Musikszene zusammen. Zu insgesamt fünf »Encounters« trifft sich das Orchester mit unterschiedlichen Gästen, um in einer Recherche- und Experimentierphase voneinander zu lernen und Programme zu erarbeiten, die dann in intimen Werkstattkonzerten vorgestellt werden. Das Publikum erhält so einmalige Einblicke in den kreativen Prozess einer klanglich hochinnovativen neuen Szene, kann unmittelbar daran teilnehmen, in den Austausch treten und über einen längeren Zeitraum der Musik im Entstehen zuhören.
Das zweite Encounter widmet sich im März 2025 im Berliner Haus der Kulturen der Welt den emotionalen und kollektiven Bedingungen trans-traditionellen Arbeitens: wo immer sich Menschen über ihre Kulturen, Herkünfte, Biographien und Prägungen austauschen, exponieren sie sich und machen sich in den meisten Fällen dadurch auch verletzbar. Kollektive Prozesse auf Augenhöhe können aber nur gelingen, wenn ein vertrauensvolles Klima der gegenseitigen Wertschätzung herrscht, in dem jede*r Beteiligte sich sicher fühlen kann. Was also sind Strategien für ein offenes, hierarchiesensibles Miteinander, in dem alle beteiligten Stimmen gleichberechtigt gehört werden können? Wie lässt sich sicherstellen, dass im gemeinsamen ensemble-ing nicht doch Machtstrukturen reproduziert werden, die vermeintlich überkommenen Hierarchien ähneln? Und wie geht man musikalisch mit Klangmaterial um, das sich ästhetisch womöglich diametral gegenübersteht? Wie öffnet man auch musikalisch den »Raum«, ohne dabei in Beliebigkeit zu verfallen?