»Irgendwas kommt immer«

Interview mit LUX:NM

1. Juni 2025 | Lisa Nolte

LUX:NM
©Andrea Huyoff Slowik

In diesem Jahr feiert das Ensemble LUX:NM sein 15-jähriges Bestehen. Im Gespräch mit field notes Redakteurinm Lisa Nolte erzählen die Gründungsmitglieder Silke Lange (Akkordeon) und Ruth Velten (Saxofon) von der Entwicklung des Ensembles, neuen Formen der Zusammenarbeit und der Resilienz der Freien Szene.

Gab es eine Initialzündung für die Gründung von LUX:NM?

Ruth Velten: Am Anfang stand der Wunsch zur Zusammenarbeit. Wir kannten uns aus verschiedenen Kontexten und hatten das Bedürfnis, etwas zusammen zu machen. Jeder von uns hatte bereits unterschiedlichste Ensembles aufgebaut. Unsere Idee für LUX:NM damals war eine gemeinsame künstlerische Arbeit, die für uns aus vielen Parametern bestand: eigene Projektentwicklungen, dramaturgische Konzeption, Komposition, Improvisation, Performance, unterschiedliche ästhetische Ansätze. Wir haben das Ensemble nie in einer konkreten Besetzung gedacht. Es hat sich ganz natürlich ergeben.

Ihr habt ein Ensemblemitglied für Vermittlung: Anna von Gehren. Ist das ein Bereich, den ihr immer mitdenkt?

Silke Lange: Wir haben schon sehr lange Vermittlungsprojekte initiiert und wollten das ausbauen, weil wir es wichtig finden, die Sparte auf einem künstlerisch hohen Niveau voranzutreiben. Mit Anna arbeiten wir zusammen, um diesen Bereich mitdenken zu können. Das können wir zeitlich nicht allein stemmen.

Ruth Velten: Wir entwickeln Konzertprojekte, und Anna entwickelt dazu ein eigenständiges Vermittlungsprojekt, das thematisch an unser Projekt andockt.

Ziehen diese Projekte tatsächlich ein neues Publikum an?

Ruth Velten: Zur Frage nach neuem Publikum werde ich – auch in kulturpolitischen Gremien – nicht müde zu betonen: Es fehlt einfach die Kontinuität. Für Audience Development braucht man außerdem einen örtlichen Anker. Und wenn man mal ein Jahr oder maximal zwei Jahre eine gute Förderung hatte, dann sind »erstmal wieder andere dran«, wie es so schön heißt.

Ist unter diesen Umständen ein kontinuierliches Arbeiten als Ensemble möglich?

Silke Lange: Wir arbeiten sehr projektbezogen kurzfristig auf das hin, was ansteht, und langfristig für das, was wir vorbereiten – sei es ein Konzert, eine Aufnahme oder dass wir mit Komponist*innen Dinge ausprobieren, Konzepte vorbesprechen oder vorproben. Deswegen ist die Arbeit schon sehr regelmäßig, aber es gibt keinen wöchentlichen Termin. Das lässt unser alltägliches Leben gar nicht zu.

Ruth Velten: Es gab Jahre, in denen sich ein Projekt an das nächste gereiht hat. Das ist durch die ganzen Kulturkürzungen schwieriger geworden. Man merkt, wie regelmäßige Arbeit das Ensemble festigt und Möglichkeiten eröffnet. Und dass die Arbeit viel schwerer wird, wenn sich diese Regelmäßigkeit ausdünnt – auch mental. Wenn du dich in einem Jahr hauptberuflich auf ein Ensemble konzentrierst und im nächsten Jahr deutlich weniger Arbeit hast, kannst du diese freie Zeit nicht so schnell füllen. Die Ensemblearbeit, die über 15 Jahre gewachsen ist, hat natürlich auch Zeit in Anspruch genommen. Jetzt müssen wir alle gucken, wie wir uns breit aufstellen können, um diese Durststrecke in der Kultur durchzustehen.

Wie schafft man es, in so einem Umfeld kreativ zu arbeiten?

Ruth Velten: Bei LUX:NM stand schon am Anfang der Wille und nicht großartige Förderung. Wir hatten damals ein Jahresbudget von 6000 Euro Projektgeld. Aber weil wir so präsent waren, wurde angenommen, dass wir unglaublich gut gefördert sein müssten. Das war ziemlich absurd, vielleicht aber auch ein bisschen ein Kompliment. Ich glaube, dass die Ensemblearbeit allen so viel wert ist, dass sie immer weitermachen würden. Mit fortschreitendem Alter ist es trotzdem schwieriger. Mit Ende 20 kann man noch ganz andere Sachen machen und hat noch nicht so viele Kosten. Das Leben wird nicht günstiger, manche gründen eine Familie.

Silke Lange: Wenn man Ideen hat und die umsetzen möchte, dann schafft man das irgendwie. Es war ja nie leicht. Deshalb sind wir resilient und wenn man ein gutes Team hat, kann man sich gegenseitig zum Dranbleiben motivieren.

Ihr seid sehr interessiert am Thema Kooperation. Gibt es dafür eine Offenheit im aktuellen Umfeld?

Ruth Velten: Ja, weil alle darauf angewiesen sind. Man hat das bei einem Treffen von Berliner Ensembles gemerkt, das im letzten Winter stattgefunden hat. Die Notwendigkeit zu überlegen, was man gemeinsam machen kann und wie man kostengünstiger produzieren kann, war vorher weniger da. Ich hätte mir gewünscht, dass das schon früher Thema geworden wäre. Jetzt schaut man: Wie kann man neue Formen der Zusammenarbeit finden? Können sich Programme auch bereichern oder ergänzen? Wie kann man Räume teilen? Es ist eine andere Arbeit als noch vor fünf Jahren, aber vielleicht entsteht daraus etwas Gutes.

Gibt es Spielstätten, bei denen die Bereitschaft für Zusammenarbeiten besteht?

Ruth Velten: Es ändert sich gerade viel in Berlin. Dass Tobias Rempe am Konzerthaus die Ensembles jetzt mit Spielterminen einlädt, ist schon ein guter Ansatzpunkt. Es liegt immer an den Personen, die zusammenarbeiten, ob sowas funktioniert, aber letztlich kämpfen alle gerade mit starken Kürzungen.

LUX:NM hat keine künstlerische Leitung. Wie entwickelt ihr eure Projekte?

Ruth Velten: Das sind immer Initiativen, die von Silke und mir ausgehen. Die anderen dürfen aber auch Ideen einbringen, wenn sie möchten. Wir ernennen keine künstlerische Leitung, weil wir möchten, dass jeder im Ensemble gestalten kann. Ganz basisdemokratisch, wie man sich das vielleicht wünscht, ist es nie, weil es immer Leiterinnen und Leiter gibt, die etwas initiieren, und einige, die eher mitmachen. Aber wir versuchen, die Plattform zu bieten und die Möglichkeiten dafür.

Bei euch im Ensemble gibt es Mitglieder, die nicht nur Instrumen- talist*innen, sondern auch Komponist*innen und Improvisator*innen sind. Wie wirkt sich das auf die Zusammenarbeit mit anderen Komponist*innen aus?

Silke Lange: Es gibt heutzutage Komponist*innen in der zeitgenössischen Musik, die mit freien Teilen arbeiten, in denen wir einen kompositorischen Part übernehmen. Aber meistens ist es so, dass die Komponist*innen, mit denen wir zusammenarbeiten, komponieren und wir innerhalb der Projekte zusätzlich eigene Werke präsentieren. Es ist also kein Ko-Komponieren.

Ruth Velten: Den meisten Komponist*innen würde das auch gar nicht gefallen, wenn wir »ko-komponieren«. Aber bei grafischer Notation stellt sich z.B. die Frage: Wer macht da eigentlich welche Arbeit? Bei der Produktion »DARK LUX« mit Gordon Kampe zum Beispiel hat Gordon ganz klar komponierte Teile eingebracht, und wir haben zusätzlich eigene Teile entwickelt. Das geht aber nur mit jemandem, der offen dafür ist und Vertrauen hat.Man muss sich dafür gut kennen. Wir werden als Ensemble wahrgenommen, das komponierte Musik spielt, obwohl wir ganz viele andere Sachen machen. Ich würde mir wünschen, dass man mehr den Blick öffnet für die vielen Betätigungsfelder, die Musik bietet.

Silke Lange: Für uns sind alle Richtungen interessant. Wir wollen durchkomponierte Musik spielen, aber ein anderer Teil unserer Arbeit sind unsere eigenen Werke, die Improvisation und Zusammenarbeiten.

Ruth Velten: Man hat diese ganzen Studiengänge rauf- und runterstudiert und jahrelang in dem Betrieb gearbeitet. Das sind Kompetenzen, die man einbringen möchte. Gerade deswegen arbeitet man freiberuflich, weil man seinen Arbeitsbereich so vielfältig ausgestalten kann, wie man möchte.

Habt ihr Wünsche, wo es hingehen soll in nächster Zeit?

Ruth Velten: Der Wunsch ist erstmal, weitermachen zu können. Wir entwickeln gerade neue Konzepte für inhaltliche Kooperationen. Es gibt ganz konkrete Pläne, aber weil die noch nicht finanziert sind, können wir jetzt noch nichts dazu sagen. Ich sehe dem positiv entgegen. Wir sind es gewohnt, unter Druck und sehr kurzfristig zu arbeiten.

Silke Lange: Ja, irgendwas kommt immer. Ich bin da ganz bei Ruth. Wir sind ja stressresistent.

Ruth Velten: Ich glaube, sonst hätten wir nie 15 Jahre im Ensemble gearbeitet.

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Sa., 05.07., 15 Uhr, ZK/U – Zentrum für Kunst und Urbanistik
Schrumpf! Nature:Sound:Spaces – Ein Konzert mit LUX:NM im Rahmen des Festivals Heroines of Sound

Sa., 05.07., 20 Uhr, ZK/U – Zentrum für Kunst und Urbanistik
LUX:NM – Nature:Sound:Spaces beim Heroines of Sound Festival mit Werken von Kirsten Reese, Hanna Hartman, Séverine Ballon, Karen Power und LUX:NM

  • Interview
  • field notes 42

Zum Weiterlesen

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field notes Magazin #42: Mai–August 2025

In dieser Ausgabe porträtieren wir das Splitter Orchester und gratulieren Labor Sonor zum 25-jährigen Bestehen. Außerdem sprachen wir mit LUX:NM, Rebecca Saunders und Enno Poppe – und planen Ausflüge nach Brandenburg.

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