It’s a cycle!

Ludmilla Mercier und Jakob Böttcher über die Klangwelt einer Waschmaschine

1. November 2025 | Filip Bayer-Čech, Lisa Benjes

Ludmilla Mercier und Jakob Böttcher in einem Waschsalon
©Lukas Kleitsch

Der Waschsalon gehört zu jenen Orten der Stadt, die kaum auffallen und doch unverrückbar zu ihr gehören. In der Luft hängt der Duft verschiedenster Seifen, gelegentlich rollt Münzgeld in einen Automaten, woraufhin die Maschine zu rauschen beginnt – dann wieder Stille. Alles darin folgt einem stillen Ablauf gleicher Bewegung. Ein etwas aus der Zeit gefallenes Biotop, dem sich Ludmilla Mercier und Jakob Böttcher in ihrem multidisziplinären Musiktheaterstück »lavomatik« widmen und damit das diesjährige BAM!-Festival in der Neuköllner Oper eröffnen.

Das Duo Mercier/Böttcher eint ein Faible für das Absurde alltäglicher Orte. Tackernd, raschelnd und kaffeeschlürfend machten sie bereits 2023 den kafkaesken Büroalltag in ihrem Stück »Bureau für/pour Nonsense« hörbar. In ihrer Zusammenarbeit ergänzen sich ihre unterschiedlichen Zugänge: Ludmilla Mercier arbeitet als Regisseurin, Komponistin und Installationskünstlerin vor allem visuell, während der Komponist Jakob Böttcher, geprägt von seiner Tätigkeit als Tonmeister, mit offenen Ohren für seltsame Klänge durch die Welt geht. Zwischen Waschtrommeln und weiß gefliesten Wänden haben field notes Redakteurin Lisa Benjes und Filip Bayer-Čech die beiden zum Gespräch über ihr neues Stück getroffen.

Die Waschmaschine ist ein eher profaner Gegenstand, möchte man meinen. Was reizt euch daran?

Ludmilla Mercier: Ich weiß gar nicht mehr genau, wie unsere erste Idee dazu entstand. Am Anfang stand wohl eine Faszination für Waschsalons. Wenn wir nachts zusammen durch die Stadt gelaufen sind, ist uns immer dieses besondere Licht aufgefallen. Es ist wie ein kleiner Guckkasten oder ein kleines Theater mitten in der Stadt. Innen ist es wie in einer anderen Welt: Alles ist sauber, fast perfekt. Es riecht angenehm und dann dieses grelle Licht.

Wascht ihr selber eure Wäsche im Waschsalon?

LM: In der Schweiz gibt es bis heute oft gemeinschaftliche Waschräume in den Häusern. Hier in Berlin ist das aber nicht (mehr) üblich.

Jakob Böttcher: Ich habe ein paar Mal während Umbruchzeiten im Waschsalon gewaschen und jetzt auch für die Recherche. Dabei ist mir aufgefallen, dass das eine Art öffentlicher Intimität ist: Man stellt sein Innerstes nach außen, versucht es aber gleichzeitig klein zu halten. Alle tun so, als würden sie nichts sehen, und sind eigentlich für sich. Gleichzeitig entsteht dadurch eine kollektive Erfahrung. Die Waschmaschinen sind wie in einer Choreografie miteinander verzahnt, jeder Ablauf ist sehr genau festgelegt. Wenn jemand zehn Minuten nach dir anfängt, erlebt er genau dasselbe, nur zeitversetzt. Für mich hat das viel von einem Musikstück.

Ursprünglich sollte die Performance tatsächlich in einem Waschsalon stattfinden. Aus pragmatischen Gründen musste das Stück nun auf die Bühne umziehen. Wie übersetzt ihr den Waschsalon auf die Bühne?

LM: In der aktuellen Fassung bleiben nur noch Erinnerungen an den Waschsalon. Wir spielen mit den verschiedenen Bildern und Eindrücken, die wir in Waschsalons gesammelt haben. Zum Beispiel mit allem, was rund ist oder sich bewegt – Kreisbewegungen. Es geht also mehr um die Idee: Farben, Objekte, Bewegungen, nicht um eine direkte Nachbildung. Einen Waschsalon auf der Bühne wird es also nicht geben.

Was gibt so eine Waschmaschine klanglich her?

LM: Wir haben viel dazu recherchiert und sogar eine Waschmaschine komplett dekonstruiert. Aus ihren Teilen haben wir unserem Schlagzeuger ein neues Schlagzeug gebaut. Dabei haben wir mit verschiedensten Mikrofonen experimentiert und eine breite Palette an Klängen aufgenommen – vom Surren des Motors über den Klang der Trommel aus dem Inneren bis hin zu blubbernden und matschigen Geräuschen der Wäsche oder dem Rhythmus des Schleudergangs.

JB: Schon vom Wort her hat »Waschen« gewisse instrumentale Verwandtschaften: die Trommel oder das alte Waschbrett, das heute ein Instrument ist. Ein wiederkehrendes Thema in unserer Arbeit ist das Verhältnis von Mensch und Maschine. Das spiegelt sich auch in der Musik unseres Stücks wider: Wir nehmen eine Maschine, um damit menschliche Musik zu machen.

Könnt ihr etwas genauer beschreiben, was auf der Bühne passiert? Da ihr beide – anders als in eurem letzten Stück – eher hinter den Kulissen arbeitet: Welche Rollen übernehmt ihr selbst, und wer ist sonst noch auf der Bühne zu sehen?

LM: Wir haben das Stück gemeinsam komponiert und entwickelt – also inklusive Dramaturgie. Wir haben vorher schon zusammen auf der Bühne gespielt und komponiert, aber diesmal wollten wir ein Stück gestalten, bei dem wir im Hintergrund bleiben. Bei »lavomatik« arbeiten wir mit HYPER DUO, einer experimentellen Gruppe aus der Schweiz, die sich aus dem Pianisten Gilles Grimaitre und dem Schlazeuger Julien Mégroz zusammensetzt, sowie mit der Schauspielerin Trixi Strobel zusammen. Wir sind dankbar, so gute Künstler*innen dabei zu haben. Sie haben viel in das Stück eingebracht. Auch dadurch ist es ein wirklich interdisziplinäres Musiktheaterstück geworden, in dem Musik, Text, Licht und Bewegung untrennbar zusammenwirken. Für uns war entscheidend, dass all diese Elemente gleichzeitig funktionieren; das Stück verliert seine Wirkung, wenn eines fehlt.

Gibt es ein erzählerisches Konzept oder eine bestimmte Handlung, der das Publikum folgen kann?

JB: Für uns ist die Bühne eher ein Biotop, ähnlich wie der Waschsalon für uns ein Biotop ist. Wir denken weniger in tra- ditionellen Handlungssträngen, sondern eher in einem Raum, in dem drei Personen – die beiden Musiker*innen und die Schau- spielerin – auf etwas warten. In diesem Warten liegt der eigentliche Moment: Man kann beobachten, wie sie einfach sind und agieren, ohne dass es dabei um große Themen geht. Es geht also nicht darum, über den Sinn des Lebens zu sinnieren, sondern um die Chance, das einfache Sein von außen wahrzunehmen.

Beim Thema »Warten« ist man im Theater schnell bei »Warten auf Godot«. Gibt es in eurem Stück weitere Bezüge zu diesem absurden Theaterklassiker?

JB: Es gibt keine direkten Bezüge, aber natürlich ist »Warten auf Godot« ein Einfluss.

LM: Unser Stück beginnt direkt in einer Wartesituation. Es startet nicht mit einem plötzlichen Schwarz auf der Bühne, aber wir lassen das Publikum unmittelbar in diesen Zustand des Wartens eintreten.

JB: Es geht ein bisschen darum, dass die Figuren nicht von der Stelle weichen. Der Zyklus endet, nur um gleich wieder von vorne zu beginnen – er ist eigentlich nie fertig. Diese Zyklusidee spiegelt sich auch in der Verschränkung der zeitlichen Ebenen des Stücks wider: Historische Quellen über Waschfrauen aus dem Mittelalter treffen auf aktuelle gesellschaftliche Fragen. Wie nutzt ihr diese zeitliche Verschränkung im Stück?

JB: Wir denken dabei nicht in historischen Kategorien; für uns passiert alles gleichzeitig. It‘s a cycle, würde ich sagen. Die Waschmaschine selbst ist ja auch ein Zyklus, der diesen herrlichen Ablauf immer wiederholt. Wir spielen mit der Idee, dass sich Geschichte wiederholt, dieselben Probleme immer wieder auftauchen. Daraus entsteht eine gewisse Absurdität.

Könnt ihr ein Beispiel geben, wie sich diese historischen Bezüge im Stück wiederfinden?

JB: Ein Motiv, das sowohl historische als auch aktuelle Resonanzen hat, ist die Erfahrung einer unkontrollierten Extremisierung. Zwar ist es kein direkter Inhalt des Stücks, doch unsere Beobachtungen gesellschaftlicher Entwicklungen – etwa, wie sich Menschen in ganz unterschiedliche Richtungen radikalisieren – sind auf subtile Weise eingeflossen. Gleichzeitig ist es weniger ein bewusst gesetzter Inhalt, sondern vielmehr etwas, das einfach präsent ist, weil es nun einmal Teil unserer Realität und unserer Gegenwartsgesellschaft ist.

Gibt es weitere Anknüpfungspunkte zu aktuellen Themen?

LM: Eine feministische Perspektive hat durch unsere Recherchen zu Legenden um die »Lavandières de la nuit« bzw. die »Waschfrauen der Nacht» aus der bretonischen Folklore Eingang in das Stück gefunden. Sie sind oft in weißen Gewändern dargestellt, haben blasse Haut und schwimmhäutige Füße. Sie gelten als übernatürliche Wesen, die in der Dunkelheit erscheinen und mit dem Tod in Verbindung stehen. Manche Legenden erzählen von Begegnungen, bei denen sie Passant*innen um Hilfe beim Auswringen von Wäsche bitten – ein Angebot, das man besser ablehnen sollte, da diejenigen, die zustimmen, oft in Gefahr geraten. Es gibt zahlreiche Texte dazu auf Französisch und Englisch, und viele Berichte erzählen, dass die Frauen gesungen haben, während sie arbeiteten. All diese Geschichten bilden einen reichen historischen Hintergrund, der uns inspiriert hat.

JB: Ein weiteres Thema, das im Stück mitschwingt, ist das seltsame und noch immer sehr dominante Konzept von »Reinheit«, wie es in der Werbung dargestellt wird. Dabei wird »weiß« automatisch mit Sauberkeit, Ordnung und Wertigkeit verknüpft – ein Ideal, das nicht hinterfragt wird. Die Frage nach »Whiteness« entsteht genau hier: Das vermeintliche Ideal von strahlend weißer Wäsche spiegelt gesellschaftliche Normen wider, die historisch und kulturell tief verankert sind, und es gibt bis heute kaum Reflexion darüber. Weiß wird einfach als »gut« dargestellt, und diese Darstellung bleibt oft unkritisch bestehen, ohne die damit verbundenen Konnotationen zu hinterfragen.

LM: Ich glaube, all diese Themen sind im Stück präsent, aber es ist dennoch kein politisches Stück im engeren Sinne. Sie sind einfach Teil unserer Gesellschaft, und der Waschsalon bzw. die Waschmaschine ist ein Teil davon. Es gibt viele Geschichten, die auch Berührungen mit diesen verschiedenen Themen haben, aber ich würde nicht sagen, dass es ein feministisches oder ökologisches Stück ist.

 

»lavomatik«, BAM!-Festival
Neuköllner Oper
Do, 20.11.25, 19:30 Uhr

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