Lieblingsorte

Einblicke in die Berliner Spielstättenlandschaft

25. Oktober 2024 | Lisa Nolte

Errant Sound
©field notes

Vom Hinterzimmer in der Altbaukneipe über die umgenutzte Industriehalle, Galerien und Clubs bis hin zum Mehrspartenhaus – die zeitgenössische Musik in Berlin ist an vielen Orten zu Hause. In der Reihe »Lieblingsorte« nehmen wir euch mit zu den festen Größen ihrer Spielstättenlandschaft, zu Neueröffnungen und allem dazwischen. Und erzählen, was euch dort erwartet.

Entlang der Weddinger Gerichtstraße hat sich ein kleiner Hotspot für aktuelle Musik entwickelt. Zu den Institutionen gehört mittlerweile schon das Panke mit Club und Bar. Dorthin kann man sich entlang des Pankeradwegs oder aber ganz klassisch von der Gerichtstraße 23 aus durch ein verwirrendes Labyrinth von Hinterhöfen schlängeln.

Nur wenige Häuser weiter öffnet seit vergangenem Juli eine Schaufensterfront den Blick ins RCHTN25. Ursprünglich als Werkstatt angemietet, wird das Ladenlokal mittlerweile von einem achtköpfigen Künstler*innenkollektiv rund um den Saxofonisten Markus Krispel mit Ausstellungen und Konzerten bespielt – schwerpunktmäßig mit Echtzeitmusik. Aktuell finden hier etwa drei Konzerte pro Woche statt, ergänzt durch eine monatlich wechselnde Klanginstallation. Unter dem Titel »Night of Graphic Score Music« macht im Dezember eine dreitägige Ausstellung mit grafischen Partituren des Komponisten Grgur Savić und abendlichen Konzerten den Auftakt zu einer Veranstaltungsreihe über grafische Notation. Lyriklesungen und Gesprächsformate sind ebenfalls in Planung. Finanziert wird all das aus Eintritten und Spenden. Ein Sponsor hat sich auch schon gefunden: ein österreichischer Winzer, der die Bar mit Naturalien bestückt.

Im gleichen Häuserblock an der Ecke Reinickendorfer Straße ist die Galerie SAVVY Contemporary beheimatet. Das selbsternannte »Laboratory of Form-Ideas« gibt auf zwei Stockwerken Themen des dekolonialen Diskurses Raum. Neben Ausstellungen, Live-Veranstaltungen und Nachbarschaftsangeboten beheimatet die Ideenschmiede eine umfangreiche Bibliothek, unter anderem mit eigener Buch- und Plattenedition. Von hier aus einmal quer über den Nettelbeckplatz gelangt man zum weitläufigen Gelände des silent green Kulturquartier. In der umfunktionierten Abdankungskapelle mit unterirdischem Krematorium – heute Kuppelhalle und Betonhalle genannt – sind regelmäßig Veranstalter*innen wie MaerzMusik, CTM oder das eavesdrop Festival zu Gast.

Am westlichen Ende der Gerichtstraße schließt das neue Quartier von Errant Sound diese kleine Wedding-Tour ab. Die Klangkunstgalerie des 2010 ins Leben gerufenen Kollektivs hat bereits einen Umzug hinter sich: Nach acht Jahren in Prenzlauer Berg musste es seine letzte Unterkunft in Mitte verlassen, weil die dortige Genossenschaft den Vertrag für die vom Senat geförderten Räumlichkeiten nicht verlängern wollte. Aktuell ist es nun zu Gast im Miss Read Space: Das Gartenhaus einer ehemaligen Brauerei an der Gerichtstraße 45 dient der Kunstbuchmesse Miss Read als Veranstaltungsort für unterjährige Gesprächsformate, und auch Errant Sound startete hier im September sein Programm mit einem Symposium zur DYSTOPIA Sound Art Biennal. Während die offengelegten Backsteinwände atmosphärisch einen offenen Gestaltungsraum bieten, bedeutet die Verkleinerung von zuvor drei Räumen auf nunmehr einen einzigen für einen Klangkunstort eine merkliche Einschränkung, ist es hier doch schwer, mehrere Installationen zugleich unterzubringen. So wurde, wie schon bei DYSTOPIA, auch beim Festival ANIMA MUNDI #5 auf verschiedene Gastspielstätten ausgewichen. Aktuell planen die neuen Errant Sound-Mitglieder Özcan Ertek und Bea Targosz ein Ausstellungswochenende mit Soundperformances. Was danach kommt, ist aktuell noch in der Schwebe.

Panke, Gerichtstr. 23 | Hof V
RCHTN25, Gerichtstraße 25
SAVVY Contemporary, Reinickendorfer Str. 17
Errant Sound im Miss Read Space, Gerichtstraße 45

  • Feature
  • field notes 39

Zum Weiterlesen

Thomas Ferle

Opposite Editorial | Thomas Fehrle #39

Der geschäftsführende Direktor der Deutschen Oper Berlin über den drohenden Kulturabbau.

Das cover der 39. Ausgabe von field notes

field notes Magazin #39: November/Dezember 2024

In der 39. Ausgabe findet ihr Veranstaltungshinweise für die kommenden zwei Monate, mit einem besonderen Augenmerk auf Festivals. Außerdem stellen wir einige Lieblingsorte vor.