»Wir reden nicht über die Frage, ob das Musik ist oder nicht – wir spielen einfach!« Und das tun sie schon seit anderthalb Jahrzehnten. Sie, das sind Daniela Fromberg und Stefan Roigk, die im Jahr 2009 das Projekt geräusch[mu’si:k] ins Leben riefen. Vor fünf Jahren wurde es zum eingetragenen Verein unter der Leitung von Fromberg und Tobias Herold und hat sich personell um gut ein Dutzend Künstler*innen und Musikwissenschaftler*innen vergrößert sowie sich auch geografisch erweitert. Fromberg, Roigk, Evgenija Wassilew und Peter Strickmann etwa geben unter dem Namen »Die Geräuschesammler & ihr Ratsch, Bong, Zack!« Workshops in Berliner Kitas, ihre Arbeit brachte sie aber auch schon weit über die Stadtgrenzen hinaus.
Nicht ohne Stolz betonen Fromberg und Roigk, Ende der Nullerjahre mit geräusch[mu’si:k] eine Vorreiterrolle eingenommen zu haben – und verweisen zugleich auf einen zeitgleichen Trend, der zu interdisziplinären Wechselwirkungen geführt hat: »Nach der Jahrtausendwende entwickelten sich zwei sehr ähnliche Praxen, die in der Bildenden Kunst Künstlerische Forschung und in der Kindheitspädagogik Ästhetische Forschung heißen.« Die Einführung des Masterstudiengangs Art in Context an der Universität der Künste Berlin habe zusätzlich zu einer Verbreiterung und Vertiefung geführt. Die Literatur und Praxis von etwa Gertrud Meyer-Denkmann, Lilli Friedemann, Mauricio Kagel oder Matthias Schwabe lieferte Fromberg und Roigk zusätzliche Impulse und tut das immer noch.
Die beiden wollten ursprünglich Klangkunstprojekte mit Perspektive auf die Bildende Kunst machen und ihre Praxis der künstlerischen Forschung vermitteln, sagen sie im Interview. »Unser Studium der Klangkunst in der Bildenden Kunst führte durch ihre Verbindung zur Bildhauerei und Installation zu einer eher materialbasierten Ausdrucksform«, heißt es. »Das, was wir selbst im Studium an spielerischen Arbeitsweisen in der experimentellen Musik und Klangkunst entwickelt hatten, funktionierte erstaunlich gut auch für (sehr kleine) Kinder, deren Welterfahrung ja gerade mit Volldampf startet und die sich alles mit vorsprachlichen und vorwissenschaftlichen Methoden erobern.« Die also nicht lange nachfragen, sondern lieber losspielen.
In den vergangenen 15 Jahren bot geräusch[mu’si:k] über 100 individuelle Projekte für insgesamt mehr als 3.000 Menschen an, wurde mit verschiedenen Preisen bedacht und führt mittlerweile selbst Seminare im universitären Kontext durch: Am Sozialpädagogischen Fortbildungsinstitut Berlin-Brandenburg, der Musikakademie Rheinsberg, der UdK Berlin, der Hochschule für Musik Detmold und der Uni Osnabrück hat das Projekt mit Fokus auf die Frühkindliche Kulturelle Bildung mit Geräuschen bereits einigen Erwachsenen Arbeitstechniken mit Geräusch und Klang beziehungsweise der akustischen Umwelt vermittelt.
Die Hauptstadt bleibt aber der Fokus ihrer Arbeit, betonen Fromberg und Roigk, speziell die Außenbezirke und Gegenden mit lückenhaftem Angebot. An den zehntägigen Workshops unter dem Titel »Die Geräuschesammler & ihr Ratsch, Bong, Zack!« nehmen jährlich sechs bis sieben Kitas teil. Die Kinder machen Geräusche mit Alltagsmaterial oder Schall- und Lautsprecherexperimente, gehen auf Hörspaziergänge. »Prozessorientiertes Empowerment, das Wecken von Interesse und die Annäherung an sperrige Formate« sollen so erleichtert werden. Im selben Zug fließt das Geschehen in der Freien Szene in die Projekte ein. »Wir versuchen auch immer, passende aktuelle Musik ›aus der Nachbarschaft‹ für die Kinder sowie pädagogischen Fachkräfte zu finden«, sagen Fromberg und Roigk.
Was bedeutet für die beiden also die Vermittlungsarbeit? »Den Spaß am Gestalten praktisch erlebbar zu machen, durch eigene Erfahrungen Verbindungen zu anderen kreativen Äußerungen zu eröffnen und in diesem Prozess die eigene Umgebung und das eigene Erleben einzubringen«, heißt es knapp und prägnant. Auch das erzeugt Feedback-Loops: »Wir beschäftigen uns in diesem Rahmen auch intensiv mit unserer eigenen Kunstpraxis.« Die Arbeit ohne Fragen anzugehen, heißt eben noch lange nicht, dass an ihrem Ende keine neuen stehen.
Dieser Text ist Teil unseres Themenschwerpunkts. Einen Essay von Dramaturgin und Dozentin Dr. Christiane Plank-Baldauf zum Thema Partizipation und Klangforschung mit jungen Menschen findet ihr hier.