»Überlegt euch, mal wieder wirklich zuzuhören«

Interview mit Axel Haubrok und Thomas Bruns

30. April 2025 | Lisa Nolte

Eingang des Areals FAHRBEREITSCHAFT mit einem Tiny Forest und einem Haus, an dem ein rotes Schild mit der Aufschrift »Another World is Possible« hängt, eine Arbeit des Künstlers Sam Durant.
©Ludger Paffrath

Seit über zehn Jahren befindet sich auf dem Areal der ehemaligen SED-Fahrbereitschaft in Berlin-Lichtenberg ein Kunst- und Gewerbehof mit Proben- und Aufführungsorten, Tonstudios, Ateliers und den Ausstellungsräumen der haubrok foundation. Noch bis zum 6. Juli findet auf dem Gelände immer sonntags »Consider Listening« statt. Mit einer Ausstellung, Podiumsdiskussionen, Konzerten, Lesungen und Performances soll die Veranstaltungsreihe Raum für offenen und aufmerksamen Austausch. Im Interview mit field notes sprechen Axel Haubrok, Stifter der haubrok foundation, und Thomas Bruns vom Ensemble KNM Berlin, das seinen Probenraum auf der Fahrbereitschaft hat, über die Initialzündung für »Consider Listening« und darüber, was die Angst vor politischen Aussagen in der Kunst mit den Kürzungsmaßnahmen in der Kulturförderung zu tun hat.

Wem soll bei »Consider Listening« zugehört werden? Wohin wollen Sie mit dem Programm die Ohren richten?

AXEL HAUBROK (AH): Mir geht es darum, dass man überhaupt erstmal wieder zuhört. Ich habe das Gefühl, dass jeder meinungsstark ist und überall rote Linien gezogen werden. Die Veranstaltungsreihe fragt: Was für eine Kunst kann und darf man in dieser Zeit noch machen? Dabei geht es zum einen um die Beschneidung der kulturellen Budgets und deren Folgen. Das aber nicht nur, um Schwierigkeiten aufzuzeigen, sondern auch Lösungs- und Förderungsmöglichkeiten.
Das andere ist die Diskussion, die in der Bildenden Kunst mit der letzten Documenta angefangen hat, bei der es darum ging, was eigentlich noch sein darf. Das hat in der Bildenden Kunst dazu geführt, dass es eine große Verunsicherung gibt. Deswegen denke ich, es ist wichtig zu sagen: Consider listening! Überlegt euch, mal wieder wirklich zuzuhören und nicht von vornherein eine Meinung zu haben.
Der Titel der Reihe stammt von einer Arbeit von Sam Durant, der hier auf der Fahrbereitschaft ein Atelier hat und zusammen mit mir die Ausstellung kuratiert hat. Wir führen zehn Wochen lang jeweils am Sonntag Diskussionen zu unterschiedlichen Aspekten dieses Themenspektrums durch. Das verbinden wir mit einem musikalischen Programm, das sehr breit gefächert ist – von 2raumwohnung über kurdische oder türkische Musik bis hin zu neuer Musik KNM Berlin, weil wir das ganze Programm interessant und niederschwellig öffnen möchten.
Dafür habe ich eine sehr breite Unterstützung gefunden von Schirmherren wie dem ehemaligen Regierenden Bürgermeister Michael Müller, dem ehemaligen Kultursenator Klaus Lederer, Daniel Wesener, dem früheren Finanzsenator von den Grünen, und Christina Weiss, der ehemaligen Kulturstaatsministerin.

 

Ist die aktuelle Berliner Regierung auch dabei?

AH: Ich habe Kultursenator Joe Chialo gefragt, ob er kommen wolle. Er hat leider keine Zeit.

 

Das Ensemble KNM Berlin ist mit drei sehr unterschiedlichen Programmen an »Consider Listening« beteiligt.

THOMAS BRUNS (TB): Das Thema taucht bei unseren Veranstaltungen in verschiedenen Facetten auf. Zum Beispiel am 11. Mai zeigen wir vier neue Arbeiten von ukrainischen Komponist*innen. »Consider Listening«, greifen wir dort auf zwei Arten auf: Ich habe mit den Komponist*innen Interviews geführt, in denen ich sie ganz spezifisch danach frage: Was hast du heute Morgen gehört? Wie könnte der Klang sich in Zukunft anhören? Wenn Komponist*innen darüber erzählen, was sie hören, bekommt man sehr interessante, unterschiedliche Antworten.
Der zweite Aspekt ist: Wie kann Kunst überhaupt sein in Zeiten von Krieg? Schönheit in Zeiten von Krieg – was bedeutet das? Wir werden in unserer Garage vier Videomonitore haben, auf denen wir jeweils eine*n der Komponist*innen darüber sprechen hören. Diese Ausstellung begleitet das Konzert oben im Teilelager und abends gibt es noch ein Get-Together.

 

Wie betten sich die anderen Veranstaltungen von KNM Berlin thematisch in das Programm ein?

TB: Das zweite Konzert am 15. Juni ist von AnA Maria Rodriguez und Juan Felipe Walter und trägt den Titel »Electronic Table«. Wer hier auf der Fahrbereitschaft umhergeht, sieht, dass viel Unboxing-Material rumliegt, also Kunstabfälle im positiven Sinne. Wir haben die beiden Künstler*innen eingeladen, sich mit dem Thema Upcycling zu befassen und aus Pappkarton, Metallgegenständen und anderen Dingen, die sie gefunden haben, ein Konzert zu bauen.
Das dritte Programm findet am 28. und 29. Juni je zweimal statt. Es heißt »Exhibited Music«. Darin stellen wir anhand von Brian Ferneyhoughs 2. Streichquartett Dinge aus, die sonst verborgen bleiben. Der Untertitel der Veranstaltung ist »100 Tage Leben für 10 Minuten Musik«. Das heißt, alles, was man an Zeit in die Musik hineingibt, um ein zehnminütiges Stück auf die Bühne zu bringen, versuchen wir in diesem Konzert abzubilden. Es wird eine dokumentarische Ebene geben, eine Live-Sensorebene und eine Rauminszenierung.

Musiker*innen des Ensembles KNM Berlin spielen ein Konzert vor Publikum in einem Raum auf der Fahrbereitschaft. Im Hintergrund gibt es eine Installation aus Neonröhren und großen Gongs.
Das Ensemble KNM Berlin beim Konzert auf der Fahrbereitschaft
© Carlos H. Juica

Aus Ihren Beschreibungen wird deutlich, dass der thematische Rahmen von »Consider Listening« extrem weit gesteckt ist. Er reicht von Ökologie bis hin zur Diskriminierung. Wie ist die Entscheidung für diese Themenvielfalt gefallen? Warum nicht mehrere Ausstellungen zu den einzelnen Themen, die ja für sich schon wahnsinnig viel hergeben?

AH: Eigentlich ist die Ausstellung ziemlich scharf auf einen Punkt hin gedacht und zwar auf die Ambivalenz von künstlerischen Aussagen. Es geht darum, dass der erste Eindruck nicht unbedingt der richtige ist. Das zieht sich durch fast alle Arbeiten. Man muss sich mit ihnen befassen, um ihren Hintergrund zu verstehen.
Ich möchte das an der Arbeit »Black to Black» von Willem de Rooij exemplarisch erklären: Das ist eine gewebte Arbeit, die nicht bemalt ist, es ist wirklich nur der Stoff. Die Arbeit ist fast drei Meter lang und geht ganz langsam von einer schwarzen Fläche in eine braune Fläche über. Wenn man diese Arbeit politisch sieht, ist eigentlich ziemlich klar: Du kriegst nicht mit, was passiert, aber es gibt eine Entwicklung.

TB: Es geht auch um das Zeitnehmen. Zuhören heißt ja auch immer, sich Zeit zu nehmen.

 

Es werden momentan viele Versuche unternommen, wieder eine gemeinsame Basis zu finden, auf der man sich austauschen kann. Haben Sie eine Strategie in diesem Programm, wie Sie das navigieren, sodass es nicht zu verhärteten Fronten kommt, die dann nicht auflösbar sind?

AH: Wir versuchen grundsätzlich, konträre Positionen zu Wort kommen zu lassen. Zum Beispiel wird beim Gespräch zum Thema Antisemitismusklausel Monika Grütters dabei sein, die die Klausel verteidigt und der Jurist Peter Raue, der sagt, dass die gegen die Kunstfreiheit geht. Ich hoffe einfach, dass wir, wenn wir diese Diskussionen führen, Verhärtungen auflösen können. Ich glaube, wenn man wirklich offen auf die Leute zugeht und über diese Themen spricht, wird auch zugehört.
Wir haben keine Extreme in der Ausstellung. Das ist nicht das Thema. Das Thema ist: Setzen wir uns damit auseinander, dass es Extreme gibt und aus welchen Gründen! Ist es sinnvoll, rote Linien zu ziehen oder sind die vielleicht an einer falschen Stelle?
Ganz typisches Beispiel: Wenn man hier in Deutschland in einer Ausstellung eine Palästinenser-Flagge aufhängt, muss man, ganz zugespitzt formuliert, schon ein schriftliches Statement abgeben, dass man das eigentlich nicht so meint. Das ist auf der Biennale in Venedig völlig anders. Ich verstehe, dass es hier so ist, weil wir eine besondere Betroffenheit haben. Aber deswegen zu sagen, das darf nicht sein, ist wieder der falsche Weg, meine ich. In der Bildenden Kunst herrscht totale Unsicherheit und Angst davor, etwas falsch zu machen. Bei der Podiumsdiskussion zu dem Thema »Was darf noch kuratiert werden?« sind schon mehrere Leute abgesprungen, weil sie das doch nicht öffentlich besprechen wollten.

TB: Ich glaube, dass es in der Musik nicht so ist, weil die Musik etwas abstrakter ist. Natürlich weiß ich, dass es Absagen für Veranstaltungen gibt von Künstler*innen aus beiden Richtungen. Aber in unserem Bereich ist das Thema vom Programm her nicht so präsent. Allerdings kann man in Deutschland eigentlich fast nur scheitern, wenn man das Thema aufgreift. Alle, die es getan haben, sind darüber gestolpert. Das geht von der Ruhrtriennale bis zur Documenta. Ich wurde neulich bei einem Interview gefragt, was ich niemals programmieren würde. Da habe ich gesagt: Ich finde für mich keinen künstlerischen Weg, mich in diesen Konflikt einzubringen. Ich wüsste nicht, wie ich damit sinnvoll umgehen könnte.

AH: Wir haben eine Klangkunstarbeit zu dem Thema von dem israelisch-palästinensischen Künstlerinnenduo Ilit Azoulay und Maisoun Karaman. Sie heißt »Heart to Heart« und setzt sich mit Sprache auseinander. Sie verwendet einen Text von einer Philosophin, die sich mit dem Verhältnis zwischen Israel und Palästina auseinandersetzt, allerdings in einer unverständlichen Sprache gesprochen, weil sie ihre eigene Sprache dafür entwickelt hat.
Es kommen aber auch noch ganz andere Aspekte ins Spiel: Der Maler Magnus Plessen, der bei uns für eine Diskussion auf dem Podium sitzt, hatte eine Einladung zu einer Ausstellung in Tel Aviv und hat sich intensiv mit der Frage auseinandersetzt: Mache ich das jetzt, in Zeiten des Krieges? Er hat im Endeffekt abgesagt.
Das Thema ist vielschichtig und ich will verschiedene Layer und Argumentationsketten zusammenbringen für einen offenen Austausch. Es geht nicht darum, das Gespräch in eine Richtung zu lenken.

Die Ausstellung »Consider Listening« in den Räumlichkeiten der Haubrok foundation mit der Webarbeit »Black to Black« von Willem de Rooij auf der rechten Seite.
Die Ausstellung »Consider Listening« in den Räumlichkeiten der Haubrok foundation mit Willem de Rooijs Arbeit »Black to Black« auf der rechten Seite
© Ludger Paffrath

Die Veranstaltungsreihe »Consider Listening« hat noch einen anderen thematischen Bezugspunkt: die Kürzungsmaßnahmen im Berliner Kulturbereich. Was haben die Kürzungen für eine Auswirkung auf die Möglichkeit, einander zuzuhören?

TB: Durch Kürzungen entsteht noch höherer Druck in der Stadt. Und der höhere Druck führt dazu, dass jeder noch viel klarer in seine Richtung gehen muss und noch weniger toleriert, was andere machen, sondern sagt: Ich bin jetzt verdammt, wirklich durchzuziehen und alles an Geld zu sammeln, was ich irgendwie schaffe. Die Gefahr, dass die Szene sich durch die Kürzungen noch mehr individualisiert, ist groß.
Wir verlieren außerdem unsere Strategie zu verteidigen, was neue Musik ist. Wir müssen neu und besser lernen, zu rechtfertigen, was wir machen. Ohne Subvention gibt es das nicht, was wir machen. Wenn jetzt gekürzt wird, wenn gesellschaftlicher Druck kommt und gefragt wird, warum erhalten die Geld, warum die anderen nicht, ist das für uns ein zusätzlicher Druck, uns zu legitimieren. Das ist auf der einen Seite positiv, weil wir uns wieder mehr damit beschäftigen, welche Relevanz wir haben. Auf der anderen Seite wird dadurch ein knallharter Konkurrenzdruck erzeugt.

AH: In der bildenden Kunst führt das zusätzlich dazu, dass man nichts Falsches machen will, weil der Druck riesengroß geworden ist. Wenn die Gelder knapp sind, welche Veranstaltungen dürfen dann noch durchgeführt werden und welche Veranstaltung führt dazu, dass man künftig noch mit dabei ist? Es geht sogar noch weiter: Die Galerien, die eigentlich ein weitgehend wirtschaftliches Interesse haben, besetzen im vorauseilenden Gehorsam Themen, die unstrittig sind. Das zieht sich immer weiter. Keine Fehler machen, keine Experimente, Political Correctness und so weiter. Wenn ich etwas verkaufen will, muss ich schauen, was meine Kunden wollen und nicht, was der Künstler will, obwohl eigentlich die Position einer Galerie die Vertretung der Künstler wäre. Im Augenblick findet da ein Wandel statt und zwar nicht nur ästhetisch, sondern auch inhaltlich. Das schleicht sich so ein.

 

Erwächst auf der anderen Seite eine Art von Solidarität aus dieser Situation? In der Musik habe ich den Eindruck, dass zum Beispiel die Ensembles oder Veranstalter*innen sehr viel stärker versuchen, ihre Kräfte zu bündeln, um Dinge gemeinsam zu stemmen oder dass die Häuser ihre Türen einen Spalt weit öffnen für freie Produktionen. Gibt es in der Bildenden Kunst ähnliche Bewegungen?

TB: Ich habe es in der Musikszene im letzten Jahr, als die großen Demonstrationen in Berlin stattfanden, so empfunden, dass es einen Zusammenschluss gab zwischen Institutionen und Feier Szene. Ich bin mir nicht sicher, wie das sein wird, wenn die zweite Kürzungswelle kommen sollte.

AH: Ich bin relativ viel im Theater unterwegs. Ich kenne den einen oder anderen Intendanten und die sagen: »Na klar gibt's Kürzungsmöglichkeiten.« Vieles ist wirklich ineffizient. Man muss jetzt wirklich überlegen, ob es sinnvoll ist, wenn eine Bühne für einen Abend aufgebaut wird und drei Wochen später wieder. Es gibt sicherlich Optimierungsmöglichkeiten, aber die sind natürlich beschränkt und es wird ja schon gestrichen. Ich glaube, dass jeder im Endeffekt an sich selbst denkt und versucht, seine eigenen Möglichkeiten, noch kreativ tätig zu sein, zu optimieren. Solidarität in der Bildenden Kunst gibt es, glaube ich, sowieso nicht. Da ist schon so viel Druck, weil darin auch der freie Markt hängt.

Thomas Bruns steht vor dem Publikum und spricht.
Thomas Bruns
© Carlos H. Juica

Sie haben die Aktivitäten der haubrok foundation als Best Practice bezeichnet und »Consider Listening« als mögliches Modell für die Zukunft in den Raum gestellt, Herr Bruns. Warum? Worin sehen Sie das Potenzial?

TB: »Consider Listening« findet am Vorabend der Musikmesse Classical:Next statt, in die eine Million Steuergelder fließen und die für die Berliner Freie Szene aber kaum etwas bringt. Man kann dort vor internationalen Konzertveranstaltern pitchen - Kunst wird dort letztendlich nicht gemacht. Ich persönlich stehe diesen Messen sehr skeptisch gegenüber, weil sich hinter der Fassade der Innovation ein sehr kommerzielles Kulturverständnis breit macht.
Auf der anderen Seite steht »Consider Listening« von der privaten haubrok foundation, die drei Monate lang Künstler*innen eine Möglichkeit gibt, sich zu präsentieren, auch wenn wir natürlich den größten Teil der Honorare selbst besorgen müssen. Trotzdem ist das gesamte Umfeld ein Zeichen für die Stadt. Ein ganz anderer, kleinerer Weg erst mal, aber er zeigt, dass es auch so gehen könnte. Statt viel Geld in ein agenturgetriebenes Get-Together zu stecken, könnte man Veranstaltungen wie diese fördern, die verschiedene Künstler*innen miteinander in Kommunikation bringen, wo geredet, Kunst gezeigt und gleichzeitig ein Areal belebt wird. Lichtenberg ist eine Industrieoase, aber eine Kulturwüste. Darum ist es uns auch immer ein Anliegen, dass das Areal hier belebt wird.

AH: Ich hatten früher eine Unternehmensberatung. Dadurch hatten meine Frau und ich die Mittel, um so einen Ort zu schaffen. Die Idee war von vornherein, auf der einen Seite den Autolackierer auf dem Areal zu behalten und auf der anderen Seite so tolle Leute wie das KNM Berlin hierher zu holen, Ausstellungen zu machen und einen alternativen Ort aufzugleisen. Und das funktioniert. Wir haben jetzt ein großes Schild vorne am Eingang hängen, auf dem steht: »Another world is possible«.
Ein wunderbar, essenzieller Baustein wäre, wenn so etwas wie »Consider Listening« regelmäßig stattfinden könnte. Im Augenblick finanziere ich das mehr oder weniger aus meiner eigenen Tasche. Ich möchte keine Förderung, weil ich dann eingeschränkt wäre in dem, was ich mache und alles rechtfertigen müsste. Aber die Fahrbereitschaft weiterzuentwickeln, ist Thema, und sie wird auch bestehen bleiben, wenn ich nicht da bin. Sie wird der Stiftung zugeführt, sodass sie langfristig ein Ort sein kann, wo sich solche Sachen entwickeln können.

 

Ist das aus Ihrer Sicht generell ein wünschenswertes Szenario? Es bedeutet ja auch eine große Verantwortung in einer Situation, in der die öffentliche Förderung minimal ist.

AH: Es ist eine Verantwortung. Das ist das große Problem unserer Veranstaltungsreihe. Wir müssen aufpassen, dass nicht diejenigen, die sagen, wir kürzen die Mittel der Häuser und die Mittel für die Künstler*innen, sagen: »Der Haubrok kann’s ja auch.« Die Gefahr sehe ich. Aber ich glaube, wir können ganz gut argumentieren, dass es hier darum geht, zu zeigen, was möglich ist. Ich finde, dass wir hier programmatisch einen sehr guten Ansatz gefunden haben und ich würde ihn gern weiterverfolgen.

TB: Ein wichtiger Grund, aus dem KNM Berlin bei »Consider Listening« mitmacht, ist, dass wir hier nicht nur proben, sondern im Teillager auch kleine Veranstaltungen machen. Wir merken natürlich, dass es ein Publikumsproblem gibt, wenn nicht kontinuierlich etwas stattfindet, weil Berlin außerhalb des Rings quasi nicht existiert. Wir wollen aber gern hier arbeiten, weil die Halle akustisch toll ist und ihren unverwechselbaren Charme hat. Man kann hier ein bisschen von dem bewahren, was Berlin in den 90ern war. Das finde ich toll. Uns war es wichtig, dass an den Sonntagen, während die Reihe läuft, hier immer mehrere Veranstaltungen stattfinden, also das Publikum nicht nur zu einem Konzert geht oder zu einer Lesung, sondern die Möglichkeit hat, ein paar Stunden auf dem Areal zu verbringen und verschiedene Dinge zu erleben, wenn es schon hierher kommt.

Axel und Barbara Haubrok
Axel und Barbara Haubrok
© Severin Wohlleben

Gibt es neben den KNM-Konzerten Programmpunkte bei »Consider Listening«, die Sie Menschen ans Herz legen würden, die an aktueller Musik interessiert sind oder aus der freien Szene kommen?

TB: Im Juli machen der Schlagzeuger Alexandre Babel und die Künstlerin Mio Chareteau ein größeres Projekt zusammen.

AH: Wir haben hier zwei Tonstudios. Das Tonstudio Blue Kite, das noch nicht fertig ist, macht mehrere Veranstaltungen, die sich auf ähnlichem Terrain bewegen. Dann haben wir noch das Tonstudio Big Snuff Berlin, da kommen immer sehr viele langhaarige Leute raus. Die machen richtigen Hard Rock. Wir wollen hier keine Monokultur aufbauen. Das ist mir wichtig. Die sind also auch im Programm. Der Zugang soll niederschwellig sein. Mal gucken, wie viele von den Headbangern wir in die Ausstellung kriegen.

Das Gelände der Fahrbereitschaft bei einem Publikumsanlass.
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