Get Lost Vol. 1

Irren im Klangparcours

29. August 2024 | Wencke Riede

Bryan Eubanks in Bewegung vor Lautsprechern und einem Modularen Synthesizer
©ZvG

Häufig folgen Konzerte einer chronologischen Abfolge an Momenten. Die Setlist gibt die Reihenfolge der Titel an, das Publikum erkennt den ersten Takt und kurzerhand entsteht ein Chor aus Stimmen. Wenn es all das nicht gibt – keine Reihenfolge, keine Liedtexte, keine Vorgaben – dann entsteht ein Moment im Moment im Moment. Die neue Konzertreihe »Get Lost« visiert genau dies an und lädt am 06. September ins RCHTN25 ein, wo sich fünf Künstler*innen der experimentellen, improvisierten Musik zusammenfinden.

Ein Act des Abends ist das Trio aus Rhodri Davies, Burkhard Beins und Angharad Davies. Ihre Instrumente, die Violine, das Schlagzeug und die elektronische Harfe, werden einen unvorhersehbaren Parcours aus Klängen erzeugen. Es geht darum, einzutauchen, sich zu verirren und schließlich treiben zu lassen im Zusammenspiel aus traditionellen und uns vertrauten Instrumenten, deren Tonerzeugnisse jedoch überraschend neu und progressiv klingen.

Angharad Davies spielt Geige
Angharad Davies
© Juliane Schuetz

Burkhard Beins und Angharad Davies haben erst kürzlich eine Duo-LP aufgenommen, die unter dem Titel »Meshes of the Evening« erscheinen wird. Auch Rhodri Davies und Burkhard Beins haben bereits eine gemeinsame Platte herausgebracht: Auf »and we disappear« entlädt sich ein sphärisch klingendes Repertoire aus fiependen, hohen Tönen, die von klirrenden Drum Hats begleitet werden und ein mystisches, avantgardistisches Klangbild erschaffen. Verschiedene Zusammenarbeiten verbindet die DAVIES-DAVIES-BEINS bereits seit 25 Jahren. »Ich glaube es wird das erste Mal sein, dass die drei nun gemeinsam auf einer Bühne performen werden«, so Musiker und Mitveranstalter Bryan Eubanks, der selbst an diesem Abend mit Schlagzeuger und Perkussionist Stephen Flinn auftreten wird.

IssueProjectRoom · Bryan Eubanks: Object V - LIVE at ISSUE / November 30th, 2017

Beide Musiker verbindet eine lange Geschichte, die sich aus vielen Jahren des gemeinsamen Spielens und Aufführens zusammenwebt. Im Zuge ihres bevorstehenden Auftritts feiert das Duo die kürzliche Veröffentlichung einer gemeinsamen Platte, welche die beiden Künstler lediglich mit ihren Namen betiteln. Es ist eine Aufzeichnung des Live-Konzerts im Petersburg Art Space Berlin aus dem vergangenen Jahr, die Momente der Improvisation einfängt auf diesem 30-minütigen Langspieler archiviert wurde. Frei und losgelöst beschwören die beiden einen düsteren Drone herauf, der von minimalistischen Klängen getragen wird. Gespielt werden hierbei Schlaginstrumente und Saxofon. Ob auch ihr Auftritt bei Get Lost ähnliche Texturen anvisieren wird, ist nicht klar. Es ist die Improvisation, der Drive im Moment und das schwingende Miteinander, das die Stimmung ihrer Shows ausmacht. Was zuvor unvorhersehbar ist, wird im nächsten Augenblick mit Impulsen aus dem Hier und Jetzt gefüllt.

Stephen Flinn spielt Schlagzeug auf einer Trommel, die wie eine Dose Campbell's Tomatensuppe aussieht.
Stephen Flinn
© ZvG

»Das Eröffnungskonzert ist der Auftakt einer Konzertreihe, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, seltene Treffen zwischen Musiker*innen, erstmalige Zusammenarbeit und bewährte Koproduktionen auf die Berliner Bühnen zu bringen«, erklärt Bryan Eubanks. Während Vol. 1 in dem von Künstler*innen initiierten Quartier RCHTN25 im Wedding stattfinden wird, laden die nächsten Ausgaben in die Zunftwirtschaft in Moabit und im Petersburg Art Space in Mitte ein. Alle Termine finden noch in diesem Jahr statt. Dann heißt es wieder: »Get Lost!« in den Ausprägungen einer neuen Musik, bei der Klänge entstehen, die zunächst befremdlich wirken und dann doch in Harmonie münden. Bei der sich die Andersartigkeit zur Familiarität verwandelt, die Nische zur großen Bühne wird und der Moment zum Moment.

Über die Autorin

Durch die Schreibschulen der Juice und GROOVE gegangen, ist Wencke Riede heute als freie Autorin für HHV Mag sowie DJ LAB tätig. Sie schreibt unter anderem über Jazz, Trance und Techno, wobei ihr Berliner Herz insgeheim immer für Rap schlagen wird.

Die Autorin Wencke Riede steht vor einer Landschaft © ZvG

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