Kontraklang: »Es braucht einen wirklichen politischen Willen zur Veränderung«

Freie Szene – Freier Fall?

1. September 2021 | Christopher Williams, Marta Blažanović-Drefers, Patrick Klingenschmitt

Screenshot des Zooms der drei Gesprächspartner*innen Christopher Williams, Marta Blažanović-Drefers und Patrick Klingenschmitt
©Kontraklang

Eine Diskussion über die Verbesserungen des Fördersystems? Das scheint Christopher Williams, Marta Blažanović-Drefers und Patrick Klingenschmitt von der Veranstaltungsreihe Kontraklang müßig, schreiben sie in ihrem Statement für #FreieSzeneFreierFall

Kontraklang als Reihe für zeitgenössische Musik in Berlin ist durch die mit der Pandemie einhergehenden Beschränkungen in seiner herkömmlichen Erscheinungsform unmöglich geworden. Wir interessieren uns in unseren Formaten vorrangig für performative Aspekte zeitgenössischer Musik im Rahmen einer mehr oder weniger konzertanten Aufführungspraxis.

Im Rahmen unserer Hauptstadtkulturfondsförderung verfügen wir nicht über die Mittel, wirklich flexibel mit unserer Programmplanung auf die Gegebenheiten der Pandemie reagieren zu können. Sämtliche organisatorische Mehrarbeit bleibt unbezahlt, ebenso der administrative und künstlerische Mehraufwand. 

Von insgesamt acht geplanten Veranstaltungen in 2020 konnten wir aufgrund der Pandemie immerhin drei realisieren. Die anderen sind nicht abgesagt, sondern zunächst nach 2021 verschoben worden. Was zunächst als glücklicher Umstand erschien, erweist sich gerade als die berühmte Katze im Sack: Wenn die Politik weiter auf Sicht fährt und Lockdownverlängerungen im Dreiwochenzyklus beschlossen werden, fehlt uns als Konzertveranstalter*innen die notwendige Planbarkeit. 

Es scheint unmöglich, dass Veranstaltungen im März und April wieder stattfinden können, selbst mit beschränktem Publikumszugang. Unsere Formate lassen sich auch nicht ohne weiteres auf Streams oder ins Digitale übertragen – die Musik muss mit den Zuhörer*innen den Raum teilen, die Performance unmittelbar erlebt werden. Das Digitale kann für uns daher bestenfalls Archiv sein, aber kein Ersatz für das Konzert. 

Besonders schwerwiegend für die Kulturlandschaft ist die momentan nicht vorhandene Sichtbarkeit von Künstler*innen und ästhetischen Positionen. Diese bringt einen Dominoeffekt mit sich, der die ohnehin prekäre Situation der freischaffenden Szenen umso bedrohlicher macht. Alle die dadurch existenziell gewordenen Aspekte sind nicht neu, sondern schon seit Jahren Selbstverständlichkeiten im freiberuflichen künstlerischen Arbeiten. 

An dieser Stelle über Verbesserungen im Fördersystem zu diskutieren, scheint müßig – was es braucht ist einen wirklichen politischen Willen zur Veränderung. Ansätze liegen seit Jahren auf der Hand, siehe etwa die Forderungen der Koalition der Freien Szene oder der diversen Verbände der Freien Szene. Dass diese erarbeitet werden, aber dann im luftleeren Raum in Vergessenheit geraten, offenbart die Relevanz des Themas im größeren Kontext.

Dass Konzerte und Veranstaltungen mit Publikum nun seit Monaten nicht stattfinden können, ist einerseits verständlich, andererseits stimmt es zynisch wenn gleichzeitig andere Teile der Wirtschaft selbstverständlich weiterlaufen. Dass auch wir gemeinsam mit Spielstätten und Künstler*innen Hygienekonzepte erarbeitet haben, damit auf unseren Veranstaltungen alles so sicher wie möglich ablaufen kann, war nur die Spitze des Eisberges der zusätzlich geleisteten unbezahlten Arbeit, die dieses Jahr mit dem Verschiebelimbo munter seine Fortsetzung findet. 

 

– Christopher Williams, Marta Blažanović-Drefers, Patrick Klingenschmitt, Künstlerische Leitung der Konzertreihe Kontraklang

 

Noch nicht alles gesagt? Bestimmt nicht. Deshalb freuen wir uns auf weitere Positionen aus der Freien Szene und darüber hinaus. Unseren Call for Statements mit einigen Leitfragen findet ihr hier.

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