»Uns war klar, dass wir uns verändern wollen.«

Stellan Veloce über Y-E-S Fest#2

31. August 2022 | Wencke Riede

Stellan Veloce - foto di Silvia Maggi
©Stellan Veloce - foto di Silvia Maggi

Das Y-E-S Kollektiv besteht aus fünf Künstler*innen und sammelt und veröffentlicht Partituren, die nicht allein auf den Bereich der Musik beschränkt sind. Es arbeitet in interdisziplinären Kontexten und setzt sich mit politischen Ideen auseinander, welche auf der gemeinsamen Plattform Y-E-S.org zum Ausdruck kommen. Zudem organisiert es Veranstaltungen, in dessen Rahmen ihre zuvor rein digitalen Kunstprojekte im Realraum umgesetzt werden. Nun steht nach einer ersten Ausgabe im Jahr 2018 das Y-E-S Fest#2 an, welches am 10. und 11. September im Rahmen des Monats der zeitgenössischen Musik im und um das Heizhaus der Uferstudios stattfinden wird. Stellan Veloce ist Teil des Kollektivs und sprach über die Arbeit von Y-E-S, das Programm des geplanten Festivals und das Zusammenspiel von Aktivismus und Pflanzenkunde.

Y-E-S hat diverse Bedeutungen wie zum Beispiel »Yah Ex Shoes« oder »You Expecting Something?«. Was bedeutet Y-E-S für dich?

Der Grund, weshalb wir uns für diesen Namen entschieden haben, ist, dass es eben genau darum geht, die Bedeutung offenzulassen. Auch für mich persönlich steht der Name für viele verschiedene Dinge. Seit einer Weile arbeiten wir nun als Kollektiv zusammen und das in ganz unterschiedlichen Feldern und Kontexten. Daher ist der Name Y-E-S eher ein Sammelbehälter, der all unsere Arbeitsfelder umfasst und ganz viele Bedeutungen haben kann.
 

Du selbst bist ein wichtiger Teil des Kollektivs und der Online-Plattform Y-E-S.org. Was genau ist Y-E-S?

Wir sind ein Kollektiv von fünf Künstler*innen und Performer*innen, die ihren Background in der Musik haben. Wir komponieren und programmieren, womit wir Partituren entwickeln. Verbunden sind wir durch die Musik und unserem Interesse daran, neue Wege zu beschreiten. Als wir mit den Vorbereitungen für das diesjährige Y-E-S Fest#2 begonnen haben, haben wir uns auch gefragt, wer wir nach fünf Jahren Y-E-S.org eigentlich sind. Uns war klar, dass wir uns verändern wollen. Wir möchten mit neuen Menschen zusammenarbeiten und ihnen Y-E-S.org als Plattform für ihre Kunst anbieten.

Du komponierst und produzierst deine eigenen musikalischen Stücke, wie zum Beispiel deine im April erschienene Platte »Stellan Veloce’s Complesso Spettro«. Inwiefern unterscheidet sich dein Solo-Schaffen von der Arbeit mit dem Kollektiv?

Ich differenziere das sehr voneinander. Meine Musik befasst sich weniger mit politischen Themen. Die gemeinsame Arbeit für Y-E-S.org orientiert sich nach außen und geht mit einem gewissen Output einher, wobei meine Musik eher ein innerer Schaffensprozess ist. Es ging darum, in einem Raum zu sein und gemeinsam als Band zuspielen. Wir als Kollektiv verbringen auch unsere private Zeit miteinander, sodass natürlich auch ein Raum für persönliche Interessen eröffnet. Ein paar Mal sind wir zum Beispiel aufs Land gefahren. In dieser Zeit entstanden Gespräche über unsere politischen Ideen, unsere Musik und unsere Kunst, welche wir nie geschlossen als Kollektiv auf Y-E-S.org geäußert haben. Dies zählt dann quasi als Teil unserer Arbeit im Kollektiv, obwohl es nicht immer klar ist, wofür wir das eigentlich machen. Letzten Februar wurden wir dann von der Redaktion des Musikmagazins Positionen eingeladen, den Thementeil des Heftes zu übernehmen. Mit dem Titel »Politiken Poetiken« haben wir unsere angesammelten Ideen konzeptualisiert und schließlich veröffentlicht. Das war eine großartige Möglichkeit, unseren internen Gesprächen eine Plattform zu bieten.

Das Programm des Y-E-S Fest#2 umfasst verschiedene interdisziplinäre Ansätze, wie zum Beispiel einem Workshop zur Pflanzenkunde von Hildegard von Bingen und Installationen, die die Architektur des öffentlichen Raumes in Klang umsetzten. Wie passen diese Kunstformate zusammen?

Ich finde, das passt sehr gut zusammen. Wir veröffentlichen schließlich auch Partituren, die nichts mit klassischer Musik im traditionellen Stil zu tun haben, und trotzdem ist der Einklang miteinander harmonisch. Das Kollektiv C.A.S.C.A.T.A. hat zum Beispiel eine Partitur produziert, welche als Aktivismusanweisung gelesen wird. Auch sie werden beim Y-E-S Fest#2 dabei sein und einen Workshop leiten. Wir wollen eine Situation schaffen, die über den klassischen Konzertbesuch hinausgeht, bei dem die Besucher*innen sich hinsetzen, die Musik erfahren, wieder aufstehen und nach Hause gehen. Wir wollen Partizipation schaffen, weshalb beim Y-E-S Fest#2 mehr Workshops auf dem Programm stehen. Außerdem wird es Performances geben, choreografische Tänze bis hin zu einem klassischen Konzert. Das Spektrum ist sehr breit und trotzdem sind alle Aktionen zu einem gewissen Grad durch aktive Partizipation und passives Zuhören miteinander verbunden. Wir wünschen uns sehr, dass die Besucher*innen in Kontakt zueinander treten. Genau deshalb passen die verschiedenen Kunstformen auch zueinander, um gerade diese Situation des Zusammenkommens zu schaffen. So war es auch bei unserem letzten Y-E-S Fest im Jahr 2018.

Die diesjährige Ausgabe wird im und um das Heizhaus der Uferstudios stattfinden. Inwiefern stehen das Gelände und die interdisziplinären Performances in Verbindung zueinander?

Es gibt einen Hof auf den Uferstudios, welcher von einigen eingeladenen Künstler*innen genutzt werden wird. Darunter zum Beispiel Lucien Danzeisen und Lennart Melzer. Die Besucher*innen werden mit ihren eigenen Smartphones und per GPS durch das Stück geführt, weshalb sie aktiv in Bewegung sein werden. Dafür bietet sich der Hof wunderbar an. In der Halle des Heizhauses werden dann die Performances stattfinden, bei der sich die Besucher*innen zu einem Publikum zusammenschließen und die Aufführungen der anderen Kunstformate erleben. Aktuell ist das Heizhaus als Gemeindezentrum geöffnet. Alle sind eingeladen, um dort gemeinsam Zeit zu verbringen. Die Betreiber*innen pflegen einen engen Kontakt zu der umliegenden Nachbarschaft. Das war für uns ein ausschlaggebendes Kriterium, das Festival dort stattfinden zu lassen.

Welche Botschaft wollt ihr als Kollektiv mit diesem Festival vermitteln? Was erhofft ihr euch?

Es ist schwierig, für alle zu sprechen, aber eigentlich habe ich schon gesagt, um was es uns geht und was wir uns erhoffen. Primär möchten wir eine Festival-Atmosphäre erzeugen. Die Besucher*innen haben die Möglichkeit, etwas von sich mitzubringen und in einen Austausch mit den Künstler*innen zu kommen. Wir wünschen uns Interaktionen und hoffen, überrascht zu werden. Das ist unser Ziel.

 

Das Interview führte Wencke Riede für field notes.