Portrait: georg katzer ensemble

Das Ensemble will einem jungen Publikum den spielerischen Zugang zu zeitgenössischer Musik ermöglichen.

27. Februar 2024 | Kristoffer Cornils

georg katzer ensemble Berlin & Marieke Rügert
©André Fischer / Klangwerkstatt Berlin

Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen hat innerhalb der Freien Szene Berlins in den letzten Jahren einen immer größeren Stellenwert erlangt. Im Rahmen der Neueröffnung in der Zossener Straße vertiefte beispielsweise das exploratorium berlin diesen Schwerpunkt. Auch andere Projekte wie »Ach so! Neue Musik einfach verstehen« des georg katzer ensemble bei der Klangwerkstatt setzen auf Kontinuität und Nachhaltigkeit, wie altgediente Institutionen wie QuerKlang oder geräusch[mu’si:k] sie schon lange vorleben – und dabei wie Daniella Strasfogels LOUDsoft nicht allein zwischen den Generationen, sondern ebenso den Kunstformen vermitteln. Kristoffer Cornils stellt vier verschiedene Projekte vor, die ein partizipativer Ansatz eint, von dem alle profitieren.

Vermittlungsarbeit ist immer auch Netzwerkarbeit, die Schneeballeffekte nach sich zieht. Im Jahr 2021 spielte das georg katzer ensemble im Rahmen des Festivals Klangwerkstatt ein Konzert für die von Daniella Strasfogel ausgerichtete Reihe »Schrumpf!«. Katarina Vowinkel, Trompeterin beim georg katzer ensemble, studierte zu diesem Zeitpunkt bei der Musik- und Bewegungspädagogin Marieke Rügert im Masterstudiengang Elementare Musikpädagogik (EMP). »Ich fragte mich, ob wir die Verbindung zur EMP auch für die Entwicklung eines eigenen Kinderkonzerts nutzen können, da die Konzertpädagogik ein Teilaspekt der EMP-Arbeit ist«, erklärt sie. Rügert und das Ensemble waren sofort Feuer und Flamme. Das ursprünglich aus dem Landesjugendensemble Neue Musik Berlin entstandene Ensemble baute in den Folgejahren immer weiter darauf auf, und bald stieß mit der Sopranistin Raquel Alves ein weiteres Mitglied zum Konzept-Team hinzu.

Dieses Team setzt sich seitdem aus Alves, Rügert und Vowinkel zusammen, die gemeinsam das Konzertformat »Ach so! Neue Musik einfach verstehen« konzipieren und organisieren. Der Leitgedanke: »Ein Kinderkonzert zu gestalten, das es schafft, neue Hör- und Vorstellungsräume beim Publikum zu öffnen. Dafür nutzen wir einen thematischen Rahmen, um sinnhafte Bezüge zwischen einzelnen musikalischen Aktionen herzustellen«, erzählt Vowinkel. Das Ensemble will dem jungen Publikum einen neuen, spielerischen Zugang zu zeitgenössischer Musik ermöglichen, der an seiner Lebensrealität ansetzt. »Gerade Kindern fällt es wegen ihrer weniger gefestigten Hörgewohnheiten meist sehr leicht, in neue Formen der Musik einzutauchen.« Wie gut das funktioniert, zeigt sich daran, dass das Projekt bisweilen über sein Ziel oder besser gesagt die Zielaltersgruppe hinausschießt.

»Die zeitgenössische Musik ist noch immer eine Nische, zu der eher wenige Menschen einen Zugang finden«, konstatiert Vowinkel. »Die Hörerfahrungen weichen von bisherigen Hörgewohnheiten oft stark ab.« Indem das Ensemble zeitgenössische Musik auch für das ältere Publikum neu kontextualisiert, leistet es also wie nebenbei intergenerationale Vermittlungsarbeit. Eine der liebsten Erinnerungen Vowinkels an vergangene Konzerte zeigt, dass die Arbeit des Ensembles in diesem Sinne keine Einbahnstraße ist: »Die Komponistin Eunyhe Joo drückte uns gegenüber aus, dass es sie berührt hatte, wie ihr Stück ›Rein ins Vergnügen‹ in diesem neuen Rahmen die Kinder in den Bann ziehen konnte.« Kurzum nehmen von den Veranstaltungen in der Reihe »Ach So!« alle etwas mit.

Das passiert nicht etwa trotz, sondern gerade wegen des zugrundeliegenden musikalischen Materials, ist sich Vowinkel sicher: »Zeitgenössische Musik eignet sich in unserer Wahrnehmung durch ihre Vielfalt besonders gut, um plastische Konzerte zu konzipieren«, sagt sie. Das lässt sich schnell auf YouTube überprüfen: Nach jeder Ausgabe der Klangwerkstatt werden dort die Auftritte auf Dauer archiviert. Die Inszenierung von »Rein ins Vergnügen« illustriert den Anspruch des georg katzer ensembles, »eine flexible Wahrnehmung von Musik und einen spielerischen Umgang mit Klängen und Geräuschen anzuregen«, wie Vowinkel es formuliert. Mit Warnwesten und Bauhelmen ausgestattet fragen Ensemblemitglieder das Publikum ab, welche Instrumente eigentlich auf der Bühne zu sehen sind und lassen es – ob jung oder alt – zu den Rhythmen des Schlagwerks auf- und abspringen.

Diese theatralen und interaktiven Elemente stehen nicht etwa in Konkurrenz mit dem musikalischen Kernprogramm, sondern sind integraler Teil seiner Inszenierung. »Durch hochwertige musikalische Beiträge verbunden mit einem klaren pädagogischen Rahmen soll neue Musik als sinnlich und sinnhaft erfahren werden«, bringt Vowinkel es auf den Punkt. Bei der vergangenen Ausgabe standen in diesem Sinne neben einem Auszug aus »Knöpfe Band 2« für Solo-Akkordeon vom Namensgeber des Ensembles Georg Katzer auch Kompositionen für Solist*innen von André Jolivet, György Ligeti und Kaija Saariaho auf dem Programm. Auch das: ein generationenübergreifender Spaß mit Tiefgang.

 

Dieser Text ist Teil unseres Themenschwerpunkts. Einen Essay von Dramaturgin und Dozentin Dr. Christiane Plank-Baldauf zum Thema Partizipation und Klangforschung mit jungen Menschen findet ihr hier

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