Portrait: LOUDsoft

Für ein größeres Angebot für Kinder und Familien im Bereich der zeitgenössischen Musik und des Musiktheaters.

27. Februar 2024 | Kristoffer Cornils

LOUDsoft beim Projekt Scribbles 2023
©Yanina Isla

Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen hat innerhalb der Freien Szene Berlins in den letzten Jahren einen immer größeren Stellenwert erlangt. Im Rahmen der Neueröffnung in der Zossener Straße vertiefte beispielsweise das exploratorium berlin diesen Schwerpunkt. Auch andere Projekte wie »Ach so! Neue Musik einfach verstehen« des georg katzer ensemble bei der Klangwerkstatt setzen auf Kontinuität und Nachhaltigkeit, wie altgediente Institutionen wie QuerKlang oder geräusch[mu’si:k] sie schon lange vorleben – und dabei wie Daniella Strasfogels LOUDsoft nicht allein zwischen den Generationen, sondern ebenso den Kunstformen vermitteln. Kristoffer Cornils stellt vier verschiedene Projekte vor, die ein partizipativer Ansatz eint, von dem alle profitieren.

Aus ihrer Arbeit mit LOUDsoft sind Daniella Strasfogel vor allem zwei Ereignisse im Gedächtnis geblieben, die sich an zwei hintereinander stattfindenden »Schrumpf!«!-Aufführungen ergaben. »Ich habe beide Veranstaltungen so vorbereitet, konzipiert und moderiert, wie ich es für interessant und der künstlerischen Arbeit entsprechend fand«, erinnert sie sich. »Mitten im ersten Stück aber ist ein Vater mit seinem Kind entsetzt rausgegangen. Er meinte, es wäre überhaupt nicht pädagogisch durchdacht, er würde als Lehrer den Kindern so eine bildgewaltige Kunst niemals antun!« Eine Woche später meldete ein anderer Vater Kritik an: »Er würde Kindern niemals etwas so Pädagogisches anbieten, sagte er. Da musste ich sehr lachen!«

Zusammengenommen verdeutlichen diese beiden einander diametral entgegengesetzten Rückmeldungen, was die Violinistin und Performerin selbst als Lehre aus ihrer Arbeit der vergangenen sechs Jahre gezogen hat: »Der Zugang zur Kunst ist immer ein persönlicher. Er basiert auf eigenen Erfahrungen und steht immer in Relation zu dem, was man schon mal gesehen, gehört oder gedacht hat«, sagt sie. »Deshalb finde ich es wertvoll, das künstlerische Mysterium, das Nicht-Reden über ein künstlerisches Produkt, infrage zu stellen und direkt mit dem Publikum in Kontakt zu treten.« Das bedeute nicht, dass sich die Arbeit nach den Meinungen der Zuschauer*innen richten soll – wie denn auch, wenn die sich untereinander nicht einig sind! –, sorge aber für ein tieferes Verständnis ihrer Rezeptionshaltungen. »Das kann für beide Parteien sehr bereichernd sein«, findet Strasfogel.

Die seit geraumer Zeit in der Berliner Szene aktive Musikerin ist ein Gründungsmitglied des Solistenensemble Kaleidoskop und war zwischen den Jahren 2010 und 2015 für dessen künstlerische Leitung zuständig. Neben dieser vielfältigen Arbeit in der Musikwelt und darüber hinaus – etwa als Hausregisseurin am tjg. theater junge generation in Dresden während der aktuellen Spielzeit – gibt Strasfogel auch Geigenunterricht und betreibt seit dem Jahr 2018 LOUDsoft. Sie habe ein größeres Angebot für Kinder und Familien im Bereich der zeitgenössischen Musik und des Musiktheaters schaffen wollen. »Ich hatte den Eindruck, dass zwischen dem sehr breiten Angebot für Erwachsene und dem Familienangebot in Berlin eine große Lücke an Ästhetiken und Inhalten besteht.«

Die Arbeit umschließt Musiktheaterwerke, Performances und interaktive Konzerte – partizipative Elemente prägen die gesamte Kette von der Vorbereitung bis hin zur Durchführung und Aufführung. »In jeder Produktion soll die körperliche Erfahrung von Klang in den Vordergrund gestellt werden«, erklärt Strasfogel. »Ich versuche auch, mit dem Publikum in direkten Austausch über das zu gehen, was sie sehen, hören und körperlich erfahren. Ich merke, dass nicht nur die Kinder, sondern sehr oft die mitgebrachten Erwachsenen sich über diesen Austausch freuen.« Obwohl ihre Zielgruppe sich aus den Alterskohorten von null bis zwölf Jahren rekrutiert, beschränkt Strasfogel sich nicht exklusiv darauf, sondern arbeitet genauso mit Jugendlichen und Erwachsenen zusammen.

Zu diesen Erwachsenen gehören auch gestandene Berliner Ensembles, die in der Reihe »Schrumpf!« aktuelle Produktionen im Familienformat neu inszenieren – in verdichteter und gekürzter Form. Die sich mittlerweile fest in der Berliner Kulturlandschaft etablierte Serie hat so schon unterschiedliche Ensembles wie DieOrdnungDerDinge, das Ensemble Adapter, die Maulwerker oder das Splitter Orchester dazu gebracht, sich auf der Ebene der Vermittlung mit der Produktion und Inszenierung ihres Repertoires auseinanderzusetzen. Mehr noch hat »Schrumpf!« sogar implizit die Gründung der Reihe »Ach So! Neue Musik einfach verstehen« des georg katzer ensembles angestoßen.

In ihrer Rolle als künstlerische Leiterin von LOUDsoft wird Strasfogel mittlerweile seit Anfang des Jahres durch Produktionsleiterin Natascha Tertre unterstützt und arbeitet für jedes individuelle Projekt mit zahlreichen verschiedenen Akteur*innen zusammen. Auch »Schrumpf!« wächst kontinuierlich weiter: Ab diesem Jahr werden im Rahmen der Reihe auch Workshops angeboten.

Dieser Text ist Teil unseres Themenschwerpunkts. Einen Essay von Dramaturgin und Dozentin Dr. Christiane Plank-Baldauf zum Thema Partizipation und Klangforschung mit jungen Menschen findet ihr hier

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