Trouble in the East
Bei Trouble in the East spielt die Verbindung zu live-Konzerten seit dem Beginn des Labels vor fünf Jahren eine große Rolle. So finden neben der wöchentlichen Reihe im Panda Theater dort mittlerweile schon zum fünften Mal auch die Labelnights statt. Dabei gibt es zwei Bands und ein Soloset pro Abend von Künstler*innen zu hören, die (noch) nicht zwingend auf dem Label veröffentlicht haben. Das Programm definiert aber klar das kreative Umfeld, in dem sich das Label verortet. Zu erleben sind am 30. Januar u.a. die drei Gründer und Labelchefs – der seit seiner Ankunft in Berlin Anfang der Zweitausender Jahre ubiquitäre Posaunist und Komponist Gerhard Gschlössl, der italienische Gitarrist und Komponist Alberto Cavenati und die legendäre Münchener Schlagzeugeminenz Sunk Pöschl als «Ein Gschössl Pöschl mit einem Schuss Cavenati». It's serious fun.
Für die drei ist Trouble in the East nicht nur Garant für Unabhängigkeit bei der Veröffentlichung eigener Aufnahmen, sondern auch eine Plattform für musikalisch Gleichgesinnt. Marc Schmolling war mit Gschlössl Gründungsmitglied des Jazzkollektiv Berlin. Ersterer präsentiert seine wunderschöne Solo-Schallplatte »Suvenýr« am zweiten Labelabend, dem 20. Februar, die wiederum auf seinem eigenen Label Schmollingstones erschienen ist. Die hohe Dichte an alten und neuen Koryphäen der experimentellen Musik und Jazz der Labelabende spiegelt den Katalog des Labels gut wider. Zu normalen Zeiten würde das Panda Theater wohl aus seinen Nähten platzen, wenn das Schlippenbach / Walsdorff Quartett den Abend eröffnet und nach Schmolling Lina Allemano's Trio Ohrenschmaus mit Michael Griener und Dan Peter Sundland spielt. Ihre eigene Musik veröffentlicht sie seit vielen Jahren auf ihrem Label Lumo Records. Trouble in the East wächst als lebendiges Archiv und steht gleichzeitig für nach vorn schauende, lebendige Szene- und Konzertkultur.
→ www.troubleintheeast-records.com
PLAIST
Ganz anders als bei diesem Triumvirat folgt PLAIST ganz der Vision und Idee des Ausnahme-Schlagzeugers und -Musikers Christian Lillinger. Das von ihm ins Leben gerufene, geführte und kuratierte Label feierte mit »Benedict Klöckner plays Über die Linie by Wolfgang Rihm« im Juli bereits seine siebte Veröffentlichung, im November folgte »BEATS«, die dritte Release seines bahnbrechenden Trios mit Christopher Dell und Jonas Westergaard. Neben fünf Releases mit Lillinger’s anderen Projekten wie GRUND, Open Form Society oder eben D L W stehen im stetig wachsenden Katalog auch Interpretationen von Rihm und Stockhausen. Dominik Blums Einspielung von Stockhausens »Klavierstück VI« wird auf der B-Seite ein ambient-rework desselben von Johannes Brecht gegenübergestellt. Im hervorragenden Klang und Design aller Vinylplatten und CDs kommt das mission statement des Labels zum Ausdruck: »Hyperrealistic sound becoming plasticity and clarity within the sonic image. Its basis is built on the Gold Standard of current production technology.« PLAIST ist mehr als ein Sammelbecken für Lillingers Projekte und Ideen: Durch die Linie von »Boulez Materialism« über Rihm und Stockhausen zu Platten wie »BEATS« und »Open Form For Society« etabliert sich das Label in immer deutlicherer Stringenz als Fokalpunkt und Statement von Lillingers Schaffen und als physische Entsprechung seiner umfassenden künstlerischen Vision.
→ www.plaist-music.com
Studio LABOUR
nine-sum sorcery ist das eindrucksvolle Debütalbum des neu gegründeten Independent-Labels Studio LABOUR. Die Veröffentlichung ist die Weiterentwicklung einer Performance, die das Duo Hacklander \ Hatam (aka LABOUR) zusammen mit der kurdischen Sängerin Hani Mojtahedy beim Festival Berlin Atonal bereits im August 2019 vorstellte. Die epische Struktur des Stücks basiert auf Sohrab Sepehris moderner Poesie und der Theoriefiktion »Cyclonopedia« des iranischen Philosophen Reza Negarastanis über den Nahen Osten, in der er Erdöl als fühlendes Wesen vorstellt. Und so kann auch nine-sum sorcery als okkulte Anlehnung an natürliche und politische Energien verstanden werden, die bei der Erdölgewinnung freigesetzt werden. Die enigmatische Komposition für Elektronik und Perkussion von LABOUR alterniert mit einer eindringlichen Stimmperformance aus kurdischen und persischen Versen von Mojtahedy. Dabei folgt ihre melodische Gesangslinie dem Dastgāh, einem Modalsystem der traditionellen persischen Kunstmusik.
Daran anknüpfend will Studio LABOUR auch in Zukunft einen Beitrag zur Erschließung von Räumen für nicht etablierte soziale Praktiken und Identitäten leisten, dem der Glaube an das transformative Potenzial von Musik zugrunde liegt. Es will Klangkünstler*innen, elektronische Musiker*innen oder Komponist*innen, bildende Künstler*innen, Performancekünstler*innen oder Theoretiker*innen eine Plattform bieten, die sie nicht durch Disziplin oder Genre verbunden sehen, sondern durch ihre radikale Perspektive auf das Medium Sound. In dem Aufbau eines kleinen, unabhängigen, von Künstler*innen geführten Labels sieht LABOUR die Möglichkeit, Arbeiten ganz gezielt auszuwählen und nach eigenem Tempo, frei von äußeren Zwängen zu veröffentlichen. In dem Ansatz liegt ein mikro-utopischer Appell, rein utilitaristische und instrumentelle Imperative des Kapitalismus zu hinterfragen. Diesen teilt das Label mit dem legendären Neuköllner Projektraums N.K., den die Betreiber*innen vor einigen Jahren leiteten.