György Ligeti: »Volumina für Orgel«

Coverpartitur der field notes #25

1 January, 2022 | Kristoffer Cornils

»Volumina für Orgel« von György Ligeti revolutionierte bei seiner Erstaufführung im Jahr 1962 die Orgelmusik und gilt bis heute unter Organist*innen als ebenso herausragendes wie schwieriges Werk. Was auch damit zu tun hat, dass Ligeti selbst und nach ihm andere gerüchteweise das eine oder andere Pfeifeninstrument zu sehr in Mitleidenschaft gezogen haben. 

Dennoch (oder: genau deswegen?) gehört das auf die vorausgehenden Klangraumkompositionen »Apparitions« (1958/59) und »Atmosphères« (1961) angelehnte Stück zu den wichtigsten Werken nicht nur in Ligetis eigenem OEuvre, sondern auch der avantgardistischen Musik des 20. Jahrhunderts überhaupt. Weil die Komposition an Anfang und Ende die Verwendung von sogenannten Totalclustern – buchstäblich alle Register der Orgel werden gezogen, bevor der Motor an- beziehungsweise ausgeschaltet wird – vorsieht, entsteht ein denkwürdiger Effekt, der von kirchlicher Seite bisweilen kritisiert wurde: Das langsam »Ausatmen« des christlich konnotierten Instruments am Ende des Stücks wurde gelegentlich als Affront aufgefasst. Was wiederum nichts daran ändert, dass Ligetis Stück mittlerweile selbst auch in religiösen Kontexten zur Aufführung kommt. Ihren Ruf verdankt die weitgehend auf Melodie und Rhythmus verzichtende Komposition auch Ligetis sorgsamen Annotationen und der Legende, die er Interpret*innen zur besseren Einordnung der verschiedenen Cluster zur Hand gegeben hat. Das Stück sei in seiner Großform »wie ein einziger großer Bogen« zu spielen, schrieb Ligeti: ohne Pausen oder gar Zäsuren, in ständiger Veränderung begriffen und doch »die Empfindung großer Ruhe« in seinem Publikum erweckend, wie es weiter heißt. Derweil allerdings die Organist*innen schweißtreibende Arbeit verrichten und obendrein noch darum fürchten müssen, dass ihnen wortwörtlich die Sicherungen durchbrennen können, versteht sich. Für Ligeti erforderte diese neue Art von Musik eine neue, adäquate Notation. Auf dem Cover dieser Ausgabe sehen Sie zwei sich überlagernde Ausschnitte der Neufassung der Partitur aus dem Jahr 1966. Notiert sind darin nicht die Einzeltöne, sondern die Veränderungen der Tonkollektive sowie Anweisungen, wie diese mit der Orgel hervorgebracht werden können. Das Notenbild ähnle laut Ligeti einer grafischen Partitur zwar, doch handle es sich um keine. Vielmehr sei sie fast so exakt wie die traditionelle Notation, bezöge sich aber auf andere musikalische Kategorien. Das räume den Ausführenden zwar weitgehende, aber rein interpretative Freiheiten ein. 

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