Der Antrag
Ein Antrag besteht aus mehreren Bestandteilen. Meist werden zunächst Eckdaten zu Wohnsitz des*r Antragsteller*in, Vorjahresförderungen, etc. abgefragt. Diese Information sollte man nicht erst kurz vor Einreichungsfrist zusammenstellen. Darüber hinaus müssen bei den meisten Fördereinrichtungen die folgenden Informationen / Dokumente eingereicht werden:
- Kurzbeschreibung
- Lange Projektbeschreibung
- Selbstdarstellung bzw. Künstlerischer Werdegang
- Musikbeispiel
- Spielstättenbestätigung / Absichtserklärungen von Partnern
- Finanzierungsplan (siehe auch Beitrag zu Finanzierung)
Man sollte davon ausgehen, dass diejenigen, die den Antrag lesen, nichts über das Projekt und die beteiligten Künstler*innen wissen. In den Dokumenten, die ihr für den Antrag zusammenstellt, sollten alle Informationen enthalten sein: Was nicht drinsteht, existiert nicht. Im Folgenden soll nun schrittweise auf die einzelnen Bausteine des Antrags eingegangen werden.
Kurzbeschreibung
Die Kurzbeschreibung verschafft der Jury einen ersten Eindruck und einen Überblick über das Vorhaben und ist daher besonders wichtig. Während der Jurysitzung dient sie den Jurymitgliedern außerdem dazu, sich den Antrag schnell ins Gedächtnis zu rufen.
Die Kurzbeschreibung sollte sich auf das Wesentliche konzentrieren und alle Eckdaten zur künstlerischen Idee und zur Umsetzung enthalten. Dazu gehören auch Angaben zum Format (Konzert, Klanginstallation, Festival), zum Ort, zur Dauer, zu den Beteiligten und was sonst für das Projekt als Wichtig erachtet wird.
Manchmal kann es hilfreich sein, die Kurzbeschreibung ganz am Ende zu verfassen, wenn alle Informationen stehen. Um selbst Abstand zu gewinnen, hilft es außerdem, eine Nacht über den Antrag zu schlafen, den Antrag nicht nochmal zu lesen und dann die Kurzbeschreibung aus dem Gedächtnis zu verfassen. Alternativ kann die Kurzbeschreibung auch von Dritten geschrieben werden.
Die Kurzbeschreibung sollte folgende Informationen enthalten:
- Wer?
- Veranstalter*innen
- beteiligte Künstler*innen
- Partner
- Was?
- Künstlerische Idee
- Zielsetzung
- Wie?
- Art des Projekts / Format (Konzert, Klanginstallation, etc.)
- Konkrete Maßnahmen / Angaben zur Umsetzung
- Wann und Wo?
- (Zielgruppe)
- (Fördergrund)
Beispiel:
„XX“ ist ein vom XX organisiertes Festival, das sich der Frage widmet, was passiert, wenn Musiker*innen und Komponist*innen die Möglichkeiten von Web3 und Blockchains erkunden. Ein Wochenende lang soll es im XX nicht nur Konzerte geben, sondern auch interdisziplinäre Workshops und Podiumsdiskussionen, die die künstlerischen Positionen kontextualisieren. Im Mittelpunkt stehen drei neue Auftragsarbeiten von Komponist*innen mit jeweils sehr unterschiedlichen Hintergründen im Bereich der zeitgenössischen Musik.
Negativbeispiel:
Zwei enge Freunde, zwei ganz große Kosmopoliten, dessen Jubiläen wir im Jahr 2059 feiern werden. Sie sind nicht nur der ganze Stolz der spanischen Musikgeschichte, sondern gehören zu den einflussreichsten und multitalentiertesten Figuren in der europäischen Vor-und-Nachkriegszeit. Beide mit der Musik von Bach und Beethoven aufgewachsen, waren sie ihr ganzes Leben der deutschen Musik und Kultur verbunden. Komponist 1, ein Komponist, der musikalisch in der Brahms-Tradition komponierte, gab sein Debut in Berlin, wo er später auch lehrte. Komponist 2 war Mitglied der Akademie der Musik und erhielt ein Ehrendoktorat der Universität. Er selbst sagte, dass er seine größte Inspiration aus der ungarischen Volksmusik und der Musik von J.S. Bach schöpfe.
Lange Projektbeschreibung
Jeder Förderantrag hat seine ganz eigene Gestalt. Und es ist sogar gut, wenn ihr eine ganz persönliche Form gefunden habt und sich euer Antrag von anderen unterscheidet. Im Folgenden können also nur Vorschläge oder Richtwerte gegeben werden. Je erfahrener und sicherer Antragsteller*innen sind, desto souveräner können sie davon abweichen.
Allgemein lässt sich sagen, dass ein Förderantrag weder eine wissenschaftliche Publikation ist, noch eine Werbe-Broschüre und erst recht kein Bettelbrief. Das Ziel bei der Antragstellung sollte es sein, potentielle Leser*innen durch eine fundierte Argumentation vom eigenen Projekt zu überzeugen.
Auch die schönste Form täuscht über einen schwachen Inhalt nicht hinweg. Jurys bestehen meist aus Vertreter*innen der Szene. Sie sind also selbst im Musikbereich aktiv und haben häufig auch eigene Erfahrungen mit der Antragstellung. Sie können entsprechend schnell herauslesen, ob ein Antrag Hand und Fuß hat. Ihr müsst also kein InDesign beherrschen, um einen guten Antrag zu stellen. Wichtig ist vor allem, dass der Antrag gut strukturiert ist und dass alle Informationen enthalten sind und schnell ersichtlich werden.
Struktur
Ein Titelblatt, Inhaltsverzeichnis, Überschriften oder andere Elemente zur Gliederung können je nach Länge des Antrags die Lesbarkeit verbessern. Es kann für die Jury beim Lesen des Antrags außerdem hilfreich sein, wenn ihr euch vom Wichtigsten zu den Details vorarbeitet. Der Übersicht halber, kann die Kurzbeschreibung auf der ersten Seite der langen Projektbeschreibung wiederholt werden. Alternativ können die Eckdaten auch stichpunktartig auf einem Fact-Sheet dargestellt werden. Nutzt Formatierungen, um wichtige Aspekte hervorzuheben. Bilder und Grafiken können nicht zur Übersichtlichkeit beitragen und wichtige Aspekte grafisch darstellen, sondern auch dabei helfen, aufzufallen und Jurymitgliedern im Gedächtnis zu bleiben.
Lasst den Antrag von einer unabhängigen Person 10 Minuten lesen und fragt, was davon hängengeblieben ist. Wenn ihr davon etwa 30 % abzieht, kann das als Richtwert gelten, was bei Jurymitgliedern hängen bleibt, die neben diesem Antrag noch 50 weitere an dem Tag lesen.
Stil
- Zeitform: Anträge werden im Präsens formuliert.
- Ansprache: Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, am einfachsten ist zu lesen, wenn man schreibt als würde es passieren. Unser Ziel ist dies und das und wir setzen das so um. Dies zeugt auch von Selbstbewusstsein. (Nicht so „Im Falle einer Förderung, würden wir gern xy“.)
- Rhythmus: Ein guter Text ist in kurzen und langen Sätzen geschrieben. Es entsteht eine Textmelodie, wenn sich Haupt- und Nebensätze locker abwechseln. Kleine Faustregel: Die inhaltliche Betonung liegt auf den ganz kurzen Sätzen. Die langen erklären meist nur.
- Adjektive: In alten Stil-Lehrbüchern steht häufig, dass Adjektive ganz zu vermeiden seien. Solange sie informativ sind oder dem Text Farbe geben, können sie aber sparsam verwendet werden.
- Aktiv statt passiv: Wenn ein Fahrrad in die Garage geschoben wird, ist das eine lahme Sache. Wenn aber Peter sein Rad in die Garage schiebt, wird jemand aktiv und der Satz dadurch lesenswerter.
- Konkret ist besser als allgemein: Je präziser und passgenauer deine Wörter beschreiben, was gemeint ist, umso verständlicher und interessanter ist der Text.
- Klischees: Wegen dem Satz „Musik ist eine universelle Sprache“ sind ganz sicher schon Projekte aus der Förderung geflogen!
- Substantivierungen: Die Substantivierung lässt Texte gestelzt wirken und erschwert die Lesbarkeit.
- Fachterminologie: Die korrekte Verwendung von Fachterminologie trägt dazu bei, Anliegen präzise darzustellen. Einer einfach zu verstehenden Formulierung ist aber immer den Vorzug zu geben. Verwende Fachvokabular nur, wenn du genau weißt, wovon du redest.
- Weniger ist mehr: Verzichte auf unnötigen Inhalt. Unnötige Details und sinnlos, offene Fragen lenken ab und stören deshalb.
- Verzicht auf unnötige Wörter und Sätze: Es gibt keinen Text, der durch das Weglassen von Wörtern nicht noch besser werden könnte.
- Verzicht auf unnötige Wörter: aber, bekanntlich, gewissermaßen, halt, höchst, ja, längst, meist, nämlich, noch, nun, offenbar, offenkundig, oft, recht, relativ, schlicht, schon, sehr, sozusagen, stets, überhaupt, übrigens, ungemein, voll, wieder, wirklich, ziemlich, zweifelsohne.
Inhalt
Die Entwicklung des Inhalts bzw. der künstlerischen Idee liegt ganz bei euch und in diesem Leitfaden kann es nur darum gehen, wir ihr diese Idee transportiert. Wie eingangs im Leitfaden dargestellt wurde, fließen in die Bewertung eines Antrags eine Vielzahl von Kriterien wie Relevanz, Schlüssigkeit, Diversität ein. Beim Schreiben des Antrags solltet ihr, diese Kriterien immer im Hinterkopf behalten. Stellt euch am besten vor, dass ihr eure Befürworter*innen in der Jury mit Argumenten für die Jurysitzung ausstattet.
Ziele und Maßnahmen
Ein Projekt ist ein einmaliges Vorhaben. Es hat ein bestimmtes Ziel und umfasst ein klar umrissenes Vorhaben. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen bestimmte Maßnahmen geplant und umgesetzt werden. Das Vorhaben hat einen Beginn und ein Ende.
Fördereinrichtungen erwarten oft, dass in der Projektbeschreibung diese Ziele und Maßnahmen geschildert werden. Ziele beschreiben, was ihr erreichen möchtet und Maßnahmen beschreiben die Umsetzung bzw. wie ihr diese Ziele erreichen möchtet. Auch wenn das einfach klingt, werden in Anträgen Ziele und Maßnahmen oft verwechselt. Das Ziel ist es nicht, ein Konzert mit field recordings durchzuführen. Das ist die Aktivität, die zum Ziel führen soll. Ein Ziel könnte vielmehr sein, auf Klänge der Umwelt zu sensibilisieren. Dieses Ziel soll durch die Präsentation von Werken mit field recordings aus der Subsahara erreicht werden.
Ob ein Antrag für gut befunden wird, wird auch daran gemessen, ob die richtigen Maßnahmen ergriffen werden, um die Ziele zu erreichen. Jedes formulierte Ziel sollte daher mit passenden Maßnahmen untermauert werden. Ziele sind in der Kunst natürlich nicht messbar, aber die Maßnahmen, wie die Ziele erreicht werden sollen, können schon sehr genau angeben werden.
Wenn das Ziel die Erreichung höchster musikalischer Qualität ist, könnten zu den Maßnahmen erweiterte Probenzeiten mit Komponist*innen und die Wahl eines Ortes mit exzellenter Klangqualität sein. Wenn das Ziel die Schaffung von Aufführungsmöglichkeiten für Nachwuchskünstler*innen ist, sollte sich die Organisation vielleicht auch um Möglichkeiten der Vernetzung der jungen Musiker*innen mit Fachleuten kümmern. Sollte die Erforschung des künstlerischen Potenzials intersektionaler Ansätze in der musikalischen Praxis im Vordergrund stehen, sollte sich dieser Ansatz auch in der Struktur der Organisation, in den Entscheidungsprozessen, bei der Wahl der Beteiligten und des Formats widerspiegeln. Möchte man ein besonders breites Publikum an zeitgenössische Kompositionen heranführen, sollte man die Veranstaltung partizipativ gestalten und darlegen, wie man dieses Publikum erreichen will.
Programm und Besetzung
Die Auswahl der Komponist*innen und Musiker*innen ist oft ausschlaggebend für die Bewertung eines Antrags. Besonders gut recherchierte und innovative Programme sind klar im Vorteil.
Seid euch bewusst, dass ihr mit Vergabe von Kompositionsaufträgen und anderen Positionen auch Ressourcen vergebt. Recherchiert also besonders gut, nutzt die Möglichkeit von Datenbanken, schreibt öffentlichen aus, um Künstler*innen außerhalb eures Kreises zu erreichen. Um euer Programm diverser zu gestalten, könnt ihr ggf. auch Expert*innen und Communities, die von Ausschlüssen betroffen sind, einbeziehen.
Im Antrag geht es darum zu zeigen, weshalb ihr mit bestimmten Musiker*innen und Komponist*innen arbeiten möchtet bzw. welchen Beitrag diese Künstler*innen zum Projekt leisten. Macht diese Gründe für die Jury transparent und nachvollziehbar.
Das Programm sollte bei Antragstellung bereits stehen. Zu viele „N.N.“ werden oft sofort aussortiert, da Jurys ungern eine Carte Blanche erteilen.
Da ein interessantes Programm und die Besetzung oft ausschlaggebend für die Beurteilung eines Antrags ist, sollten die Informationen dazu auf den ersten Blick aus dem Antrag hervorgehen. Wichtig ist auch, dass ihr darstellt, welche Werke im Rahmen des Projekts in Auftrag gegeben werden (UA, DE, etc.).
Beispiel:
Ensemble XY spielt
- Komponist*in 1: Neues Werk für Blockflöte, Kontrabass und Sopran (UA)
- Komponist*in 2: »Werktitel«
- Improvisation des Ensembles
- Komponist*in 3: »Werktitel« (UA)
- Komponist*in 4: »Werktitel«
Man kann zudem zu den einzelnen Werken Statements zum Vorhaben von den Komponist*innen oder Künstler*innen einholen. Beschreibungen zu den einzelnen Werken sind möglich, aber kein Muss.
Korrekturrunde
Bevor der Antrag eingereicht wird, sollte es unbedingt mehrere Korrekturschleifen geben. Man kann den Text einer zweiten Person geben, die bestenfalls noch nie etwas von deiner Projektidee gehört hat. Um zu testen, wie verständlich der Text ist, könnt ihr sie bitten, euch zu sagen, worum es geht nach 10 Minuten lesen (das entspricht etwa der Zeit, die die Jury für den Antrag hat). Wenn ihr gerade niemanden kennt, der oder die euch helfen könnte, dann schlaft zumindest eine Nacht über den Text. Am nächsten Morgen hat man einen anderen Abstand. Alternativ kann man den Text laut lesen. Das hilft sehr gut, eingebaute stilistische Fehler und Ungereimtheiten zu finden. Notiere dir die Stellen, an denen du ins Stocken gerätst: Hier musst du umformulieren.
Eigendarstellung / Künstlerischer Werdegang
Jurys sind meist darauf bedacht, eine Balance zu finden zwischen etablierten Akteur*innen und Neueinsteigern. Bei bereits bekannten Künstler*innen und Gruppen können Jurymitglieder über den Antrag hinaus oft auch auf Eindrücke von erlebten Konzerten zurückgreifen. Bei jüngeren Künstler*innen ist dies eher nicht der Fall, weshalb die angegebenen Informationen im künstlerischen Werdegang umso wichtiger sind.
In der Eigendarstellung bzw. im Künstlerischen Werdegang stellt ihr euch selbst, euer Ensemble, Kollektiv, euren Verein oder eure Organisation mit euren Zielsetzungen, Überzeugungen, Arbeitsweisen und Referenzen vor. Wofür steht ihr? Welche Projekte habt ihr bereits realisiert und mit wem habt ihr kooperiert? Inwiefern beeinflussen grundlegenden Werte wie Diversität, Nachhaltigkeit oder Innovation eure Programmgestaltung? Wer hat im Team welche Rollen?
Seht bestenfalls zu, dass sich die Eigendarstellungen mit dem Projekt deckt. Eine Jury möchte wissen, dass ihr euch mit den Inhalten des Projekts auskennt und vielleicht sogar schon dazu gearbeitet habt. Ihr habt in der Hand, was die Jury über euch erfährt. Das, was ihr im Antrag über euch schreibt, sollte mit Internetpräsenz übereinstimmen.
Achtet darauf, dass die Selbstdarstellung aktuell ist. Sie sollte biographische Eckdaten und Informationen zu euren künstlerischen Schwerpunkten enthalten. Links zu Video- und Audiodokumentationen vorheriger Arbeiten schaden nicht.
Die Wenigsten schreiben gern über sich selbst. Da die Selbstdarstellung über die Anträge hinaus auch für die Website oder Ähnliches verwendet werden kann, kann es sich ggf. lohnen, eine*n professionalle*n Autoren*in dafür anzufragen.
Musikbeispiel
Was viele unterschätzen: Das Wichtigste des Antrags ist das Musikbeispiel. Der Upload des Soundfiles sollte also gut überlegt sein. Es sollte von höchster musikalischer Qualität zeugen und aussagekräftig für das Projekt sein. Übrigens sollte auch der Titel der hochgeladenen Datei gut gewählt sein und erklären, was zu hören ist.
Spielstättenbescheinigung
Das dauert immer länger als man denkt. Plant deshalb Zeit ein. Für Spielstättenbestätigungen und Absichtserklärungen (LoI) kann man den Prozess beschleunigen, wenn man den Text bzw. das Dokument den Partnern bereits vorbereitet und die nur noch unterschreiben müssen.
Tipps
Schickt den Förderantrag möglichst frühzeitig an die jeweilige Geschäftsstelle. Dann haben die dortigen Mitarbeiter*innen noch Gelegenheit, den Antrag sorgfältig zu sichten und ggf. Rücksprache zu halten, falls eine Überarbeitung/Ergänzung des Antrages notwendig ist.
Finde einen (Arbeits)Titel, der das Projekt gut umreist und den Jurymitgliedern im Gedächtnis bleibt. Er kann später geändert werden.
Einige Gremien geben Feedback zu allen Projekten, andere auf Nachfrage und die meisten leider gar nicht. Fragt aktiv Feedback bei der Geschäftsstelle oder den Jurymitgliedern an.